Kategorie: Reviews

  • 14. ZFF Tag 1: Girl, High Life & The Sisters Brothers

    14. ZFF Tag 1: Girl, High Life & The Sisters Brothers

    Mein erster Tag am 14. Zurich Film Festival (ZFF), der zweite Tag des Festivals. Robert Pattinson auf eine Weltraumstation zugeguckt, mit zwei Westernkleingauner bei der Selbstfindung gelacht und mit einem feinfühlige Portrait einer Transgender-Ballerina abgeschlossen.

    Für den einen oder anderen Film gibt es noch eine lange Review, hier die Übersicht in Kürze:

     

    High Life (2018) – Regie: Claire Denis

     

    Ich wollte den Film mögen, wirklich. Die Geschichte bietet eine Menge Potential. Der Verbrecher Monte (Robert Pattinson) bekommt eine zweite Chance angeboten, wenn er einwilligt als Teil eines Experiments mit anderen Häftlingen auf einem Raumschiff zu leben. Er willigt ein und findet sich bald mit seiner im All geborenen Tochter alleine auf dem Raumschiff wieder. Was dazwischen passiert ist, gibt der Film nur langsam preis, zu langsam. High Life hat einige guten Szenen, aber sie sind leider versteckt in einer Menge Füllmaterial. Themen werden aufgegriffen und ohne Abschluss wieder fallengelassen, Dialoge wirken gestellt, einige Momente werden nur zur Ploterklärung rasch reingedrückt. Alles in allem macht dies High Life leider extrem anstrengend zum Schauen und auch das überhaupt nichts abschliessende Ende macht die Reise nicht wirklich wert, Juliette Binoche als Dr. Dibs ist allerdings grossartig.

     

    The Sisters Brothers (2018) – Regie: Jacques Audiard

     

    Der Western kam zum Glück gleich nach High Life und hat mich schlagartig wieder geweckt. John C. Reilly und Joaquin Phoenix spielen sich als Gauner-Brüder Sisters in jeder Szene perfekt den Ball zu. Für Geld sollen die Brüder den Erfinder Warm (Riz Ahmed) ermoden. Aber während sie ihr Opfer jagen, hadern die Brüder plötzlich nicht nur mit anderen Gaunern, sondern auch mit sich selbst. The Sister Brothers ist ein Anti-Western und glorifziert für einmal keine einsamen Cowboys, die mit Gewalt ihre ruhmreichen Heldentaten vollbringen. Gleichzeitig nimmt Regisseur Jacques Audiard aber das Genre absolut ernst, weswegen es trotzdem ordentlich knallt und der dreckige Western mit Härte durschlägt. Nur der daraus resultierende Verlauf der Geschichte ist – anders. Genauso wie der wunderbar präzise Humor, wer wollte nicht schon immer einem Gauner dabei zu sehen, wie er die Vorzüge dieser neue Erfindung namens „Zahnbürste“ entdeckt.

    Dazu gibts auch ein Review von mir auf Blogbusters.net.

     

    Girl (2018) – Regie: Lukas Dohnt

     


    Lara ist eine 15-jährige mit einem grossen Traum: Sie will Ballerina werden. Sie hat das Talent, die Unterstützung von zu Hause und einen Platz in eine der besten Balletschulen. Lara beginnt aber gleichzeitg auch eine Hormontherapie und eine Operation ist geplant, denn sie ist im Körper eines Jungen geboren. Lara verlangt ihrem Körper im Ballettraining alles ab, hadert zugleich aber mit eben jenem. Regisseur Lukas Dohnt verzichtet auf überflüssige Dramatisierung, stattdessen nimmt er den Zuschauer mit einer feinfühligen Portraitierung in den Kopf von Lara nimmt. Diese wird verkörpert von Viktor Polster, der Laras inneren und äusseren Kampf mit einer unglaublichen Präzision auf die Leinwand bringt. Ein absolut starkers Werk.

    Girl ist ab dem 18.10.2018 in den Schweizer Kinos.

     

    Das Zurich Film Festival läuft vom 27. September bis am 7. Oktober in Zürich. 

  • Piercing (2018) – fantastischer, selbstironischer Thriller [Review/NIFFF]

    Piercing (2018) – fantastischer, selbstironischer Thriller [Review/NIFFF]

    Man hat Agressionsprobleme und entscheidet sich zur „Beruhigung“ eine Prostituierte in einem Hotel umzubringen. So weit, so klassisch. Reeds (Christopher Abott) minuitöser Plan zersetzt sich aber ins Nichts, als die Prostituierte Jackie (Mia Wasikowska) in seinem Zimmer auftaucht. Diese hat nämlich ihre eigenen speziellen Vorstellungen.

    Es folgt ein raffiniertes Machtspiel um die Oberhand im Geschehen, körperlich, aber noch viel mehr psychologisch. Es entsteht in dieser Nacht eine Beziehung zwischen den Beiden, in der die Rollen Opfer und Täter konstant wechseln. In der Konsent scheinbar ausgehandelt und dann wieder gebrochen wird.

    Die Kamera spiegelt dabei erst Reeds Sicht, beginnt aber irgendwann ebenso Seiten zu wechseln. Reed erhält zwar mehr Hintergrund als Jackie, aber was ihren Machttanz angeht, sind die beiden sicht absolut ebenbürtig. Dies nicht zuletzt, weil Mia Wasikowska als Jackie eine absolute Wucht ist. In ihrer Jackie ist nichts von der unschuldigen Naivität von Mias letzten Rollen (Alice in Wonderland, Crimson Peak)zu finden. Jackie steht mit Reed auf einer Augenhöhe, ohne eine blosse Kopie von ihm zu sein.

    Dabei scheut Regissuer nie davor zurück die Komik der Situatin zu nutzten, ganz im Gegenteil: Piercing ist ein zutiefst selbstironischer Film. Zugleich Hommage und Persiflage von Giallo Filmen und American Psycho – Style. Während die beiden Darsteller ihre Rollen grandios ernsthaft spielen, arbeiten Szenerie, Schnitt und Kamera die Absurdität des Geschehens heraus.

    Es ist dieser Humor der Piercing von einem sehr guten Thriller, zu einem fantastischen schwarzhumorigen Erlebnis macht.

    Fazit
    Piercing ist eine fantastischer selbstironsicher Thriller, der mit seinem Kammer-Machtspiel zwischen zwei ebenbürtigen Gegnern sowohl eine Giallo-Persiflage, als auch liebevolle Hommage ist.

    5/5 Sterne

    Piercing lief am Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) 2018.

    Piercing (2018), Regie: Nicolas Pesce, USA.

    Summar

    0
  • When The Trees Fall (2018) – [Review/NIFFF]

    When The Trees Fall (2018) – [Review/NIFFF]

    When The Trees Fall (2018)

    Teenagerin Larysa sehnt sich nach einem anderen Leben, als das in der Provinz der Ukraine. Sie schmiedet mit ihrem Freund Scar Pläne dem Kleinstadtleben zu entflüchten. Doch Scar ist ein Roma, Familie und Nachbarn verurteilen die Beziehung. Mutter und Grossmutter versuchen Larysa in „geordnet“ traditionelle Bahnen zu bringen.

    Genauso wie auch Larysa Grossmuster einstmals ihre Liebe zu einem Roma aufgab, um eine traditionelle Familie zu gründen. Die ältere Generation hat sich dem Leben nach Normen und Regeln gefügt, der Nachwuchs hat nun gefälligst zu folgen. Larysas fünfjährige Cousine Vitka darf noch unbeschwert ihrer Vorstellungskraft fröhnen, aber die Teenager sollen die vorgegeben Pfade nehmen. Pfade, die in einer Stadt von dieser Grösse ziemlich klein sind.

    Diese Gefühl von Eingeengtheit, die Sehnsucht nach einer andere Lebensweise, fängt Regisseurin Marysia Nikitiuk in ruhigen, ausdrucksstarten Szenen ein. Meist verlässt sie sich dabei auf wenige Worte, kleine Gesten Ausdruck ihrer Darstellerinnen, selten schimmert Vitkas Vorstellungskraft als Gegenstück zur engen Realität durch.

    Die Erzählung kommt mehrheitlich ohne grosse Ereignisse aus. Larysa will weg, sie schafft es aber nicht selbst ein Feuer zu entfachen und Scar ist bald mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Beide kämpfen mit den Einschränkungen ihrer Herkunft, die ihnen kaum abweichende Wege offen lässt.

    When The Trees Fall ist keine wilde Rebellionsgeschichte, sondern die Beobachtung einer sich langsam schliessenden Schlinge. Dabei nimmt sich der Film manchmal zu viel Zeit in der Beobachtung zu schwelgen, macht diese aber mit anderen emotionalen und wünderschön gefilmten Szenen wieder wett.

    Fazit
    When The Trees Fall kommt nicht mit einem packend traditionellen Erzählrahmen daher, Regisseurin Nikitiuk kreirt aber gerade durch die ruhigen Erzählweise Szenen voller Ausruckskraft, die in bezaubernd gefilmten Bildern daherkommen.

    3.5/5 Sterne

    When The Trees Fall läuft nochmal am Neuchâtel International Fantastic Film Festival am 13.07.2018 um 17:15.

    When The Trees Fall / Koly padayut dereva (2018), Regie: Marysia Nikitiuk, Ukraine/Polen/Republik von Mazedonien.

  • The Ritual [Review] – solider Wald-Horror

    The Ritual [Review] – solider Wald-Horror

    The Ritual erfindet das Rad nicht neu. Eine Gruppe Männer entschliesst sich zu Ehren ihres verstorbenen Freundes auf eine Wandertour zu gehen. Einer verhaut sich dabei den Knöchel, woraufhin ein anderer die «schlaue» Idee hat eine Abkürzung durch den Wald zu nehmen.

    Dies kommst natürlich nicht sonderlich gut, bald stösst die Truppe auf seltsame Runen und Holzfiguren. Bedrohliche Träume suchen die Freunde heim und zwischen den Bäumen bewegt sich etwas, Grosses.

    Sehenswert ist The Ritual dank der guten Inszenierung aber trotzdem. Regisseur David Bruckner baut mit Bild und Ton eine bedrohliche Stimmung auf, die sich langsam steigert. Todesfälle passieren Off-Kamera, die anschliessend auftauchende Überreste reichen aber mehr als aus.

    Für einmal verhält sich die Truppe ausserdem weder unlogisch übermutig, noch strohdumm. Hauptprotagonist Luke wird mit einem weiteren inneren Albtraum konfrontiert: Schuldgefühle für den Tod seines Freundes haben ihn nie losgelassen und greifen nun im dunklen Wald noch intensiver zu. Die restliche Truppe bleibt eher blass, aber ganz unterschiedliche Reaktionen auf das Geschehen sorgen für Spannung unter den Freunden. Anschuldigungen untereinander mixen sich mit den unheimlichen Omen des Waldes.

    Der Höhepunkt ist ganz klar das Monster. Während es für den grössten Teil des Films aus dem Dunkeln heraus zuschlägt, tritt es für das Finale ins Licht. Und das Kreaturendesign ist absolut grossartig. Das hilft, über das ansonsten nicht sehr raffinierte Finale hinaus.

    Fazit
    The Ritual ist ein übliches» Truppe verirrt sich im Horror» – Szenario à la Blair Witch (1999), aber absolut solide inszeniert und mit einer fantastisch gestalteten Kreatur als Höhepunkt.

    3.5/5 Sterne

    The Ritual ist auf Netflix streambar.

    The Ritual (2018), Regie: David Bruckner, UK.

     

    (Titelbild: Netflix/Vlad Cioplea)

  • I Am Not A Witch [Review] – satirischer Aberglaube

    I Am Not A Witch [Review] – satirischer Aberglaube

     

    I Am Not A Witch (2018)

    Die 8-jährige Shula wird in Zambia beschuldigt eine Hexe zu sein und in ein «Hexendorf» verbannt.  Zusammen mit anderen «Hexen» soll sie dort für die Regierung auf Feldern oder als Touristenattraktion arbeiten. Damit die «Hexen» nicht wegfliegen können, wird ihnen ein weisses Band am Rücken befestigt. Nehmen sie diese wieder aber droht ihnen gemäss lokalem Glaube die Verwandlung in eine Ziege.

    Die Hexencamps gibt es wirklich, Regisseurin Rungano Nyonis begab sich für Recherchen in eines in Ghana. Shulas Geschichte ist fiktiv. Nyonis erzählt sie als dunkelhumorige Satire mit surrealistischem Touch. I Am Not A Witch ist keine Analyse und kein Moralstück. Nyonis kreiert Szenen, die für sich selbst sprechen und den gefährlichen Mix aus Patriarchat und Aberglauben präzise vorführen. Dabei bleibst sie sehr distanziert von ihren Figuren, was den Film nicht sofort zugänglich macht.

    Dafür gibt es Maggie Mulubwa, die Shula spielt. Obwohl das Mädchen nur wenig spricht, reicht Mulubwa Ausstrahlung um Shulas Geschichte kraftvoll zu erzählen. Shula, die Zugehörigkeit sucht und diese zuerst sogar bei den älteren «Hexen» findet. Bis der leitende Regierungsbeamte sie sogar da heraus reisst, um mit der jungen «Hexe» noch mehr Profit zu schlagen. Moderne und alter Aberglauben treffen hart aufeinander, wenn Shula als «Kinderhexe» im Talkstudio gleich nach der Rapperin auftritt.

    Mulubwa trägt die Tragik von Shulas Geschichte, die sich präzise mit dem gelungen satirischen Humor verwebt.  Mit einer kräftigen Bildsprache fängt Kamermann David Gallego die Absurdität des Geschehen gnadenlos ein und erzeugt zum Beispiel mit den weissen Bändern der «Hexen» fast schon surreale Bilder. Dazu Musik von Vivaldi und Nyonis schafft Satire die zugleich eine visuell beindruckende Schwere hat. Da lässt sich auch das unschlüssig Ende verzeihen.

    Fazit
    I Am Not A Witch bietet keinen leichten Zugang, aber Regisseurin Nyonis erzählt mit harter Satire und surrealen Bildern eine tragische Geschichte um Aberglaube und Patriarchat mit eine ausdruckstarken Mulubwa in der Hautprolle. Ein herausstechendes Werk, hinter dessen distanzierten Fassade das fühlbare Unrecht brodelt.

    3.5/5 Sterne

    I Am Not A Witch läuft ab dem 10. Mai 2018 in den Schweizer Kinos.

    I Am Not A Witch (2017), Regie: Rungano Nyoni, UK/Frankreich/Deutschland.

    (Titelbild: Out of the Box)

  • Thelma [Review] – hypnotische, übersinnliche Coming-of-Age-Story

    Thelma [Review] – hypnotische, übersinnliche Coming-of-Age-Story

    Thelma (2018)

    Weibliche Coming-of-Age Geschichten verbunden mit Übersinnlichem sind nichts Neues. Regisseur Joachim Trier kreiert mit Thelma aber ein ganz eigenes Werk.

    Als Erstes wäre da die Stimmung. Im Gegensatz zu anderen Werken, wie etwa dem stets agressiv brodelnden Raw (2016), kreiert Trier von den ersten Sekunden an eine stille, einsame Atmosphäre, mit Horror der langsam die Härchen auf den Armen aufstellt.

    Vater und junge Tochter im Wald. Er scheinbar auf der Jagd mit Flinte, sie unschuldig strahlend. Die Tochter dreht sich ab, der Vater schwenkt die Flinte auf ihren Hinterkopf. Schnitt.

    Thelma ist älter, zieht alleine fürs Studium in eine andere Stadt. Die Eltern zwar offensichtlich streng katholisch, aber freundlich. Nur die allabendlichen Telefonate mit der Mutter wirken kontrollierend. Thelma scheint sich dies aber alles gewohnt, fügt sich nahtlos. Bis sie ihre Mitstudentin Anja kennen lernt. Bald trinkt Thelma nicht nur ihre ersten Gläser Alkohol, sondern zwischen ihr und Anja entwickelt sich mehr als Freundschaft. Was die tiefkatholische Thelma nicht nur mit sich selbst in Konflikt bringt.

    Ein Konflikt, der sich sehr real auf der Leinwand zeigt, als Thelma von einer epilepsie-artige Attacke durchgeschüttelt wird. Die erste von vielen, mit immer stärker werden Folgen für Thelmas Umfeld. Diese fängt Trier in ebenso poetisch wie beängstigenden Bilder ein, genauso wie den Rest des Films. Überhaupt setzt er oft auf aussagekräftige, kühle Bilder statt grosse Dialoge.

    Thelma beginnt aus dem elterlich-christlichen Schema auszubrechen, der Film behält jedoch seine Ruhe. Thelma ist scheu und in sich gekehrt. Sie schüttelt diese Eigenschaften nicht plötzlich ab, um sich in schockierend Exzesses zu stürzen. Eine Zurückhaltung, die nur gegen Ende etwas an Kraft vermissen lässt. Dafür wirken auch die Szenen zwischen Thelma und Anja nie als ob man der Sensation wegen von aussen zuschauen würde, obwohl sie zugleich voller Erotik sind.

    Thelmas Realität und Gedanken beginnen sich zu vermischen, manchmal gar im wortwörtlichen Sinn. Unterbewusstes aus der Vergangenheit tritt zu Tage. Die simpel wirkende Geschichte gewinnt an Komplexität. Thelma muss sich mit sich selbst, ihrer Familie, ihrer Vergangenheit und ihren Kräften auseinandersetzen. In ähnlichen Geschichten wie Carrie enden die übersinnlichen Kräfte oft rein destruktiv, aber Thelma ergibt sich nicht einfach dem Sog der Geschehnisse. Und Hauptdarstellerin Eili Harboe trägt dabei alle Emotion der ruhigen Thelma in voller Ausstrahlung auf ihrem Gesicht.

    Fazit
    Thelma ist nicht nur in wunderschönen kühlen Bilder gefilmt, sondern zieht einem auch mit seiner Geschichte und einer grandiose Eili Harboe als Thelma in einen hypnotischen Sog. Ein überaus faszinierender, zugleich ruhiger und kühl-beängstigender, übersinnlicher Coming-of-Age Film.

    4/5 Sterne

    Thelma läuft ab dem 22. März 2018 in den Schweizer Kinos.

    Thelma (2018), Regie: Joachim Trier, Norwegen/Frankreich/Dänemark/Schweden.

     

    (Titelbild: Outside the Box/Motlys AS)

  • Annihilation / Auslöschung [Review] – philosophischer Sci-Fi Alptraum-Trip

    Annihilation / Auslöschung [Review] – philosophischer Sci-Fi Alptraum-Trip

    Annihilation (2019)

    «Nur auf Netflix, weil nicht massentauglich», die Verfilmung des Sci-Fi Buchs Annihilation von Vandermeer hat schon im Voraus Wellen geschlagen. Tatsächlich wird der Film nicht jedem gefallen, Liebhabern von nachdenklich machender Sci-Fi dafür umso mehr.

    Lena (Natalie Portman) ist Biologie-Professorin mit Militärvergangenheit, deren Mann spurlos auf einer geheimen Mission in der Area X verschwunden ist. Als er mit Gedächtnisschwund und schwerkrank plötzlich wieder in der Küche steht, beschliesst Lena sich der nächsten Expedition in die Area gleich selbst anzuschliessen.

    Sie wird Teil eines fünfköpfigen Teams, bestehend aus ihr (Biologin), einer Physikerin, einer Anthropologin, einer Sanitäterin und einer Psychologin. Durch eine schimmernden Mauer betreten sie die Area X, ein Gebiet komplett evakuiert und der Wildnis überlassen. Ein Gebiet, das aus bekannten Pflanzen und Materialen besteht, aber während der Expedition zunehmend Verdrehungen und Veränderungen des Gewöhnlichen preisgibt.

    Buchautor Vandermeer beschreibt Area X als zugleich absolut unheimlich und unglaublich wunderschön. Regisseur Alex Garland nimmt etwas Distanz vom Düstern, kreiert aber tatsächlich wunderschöne Bilder, die zugleich irritieren. Die deutlich machen, dass in der Area X nichts den altbekannten Regeln folgt. Ein vielfältiges Blumenmeer am Teich bezaubert, bis Lena erkennt, dass die Pflanzen so gar nicht wachsen dürften. Einzigartige Bilder, die sich lohnen auf einem möglichst grossen Bildschirm zu geniessen.

    Area X stellt das Sein selbst in Frage: Was ist Bewusstsein, wenn der Körper am Ende doch nur eine Sammlung veränderbarer Zellen besteht? Die Angst um das eigene Leben weicht bald Verwirrung, Panik, und Misstrauen.

    Annihilation ist weit weg von einem Action-Film, auch wenn der Trailer dies vorzugeben scheint. Gefahr dringt durch wenige gezielte Ereignisse ein. Was mit einer noch harmlosen Tierattacke beginnt, kombiniert die Angst um Leben bald mit dem Terror über die blosse Existenz von gewissen Dingen. Area X ist definitiv ein irrer Trip für sich. Ein Trip, der getragen wird von einer hervorragenden Schauspielcast. Natalie Portman füllt ihre Rolle bis in die letzte Sekunde und ihren Mitspielerinnen gelingt es den Nebenfiguren ebenfalls Charakter zu verleihen, obwohl sie wenig Raum dafür erhalten.

    Statt auf Interaktionen im Team setzt Garland nämlich häufig auf meditative Bilder und verpasst damit die Chance eine durchgehende Spannung zu erzeugen. Der Grundton ist damit häufiger eher zurückhaltend, aus Lenas Sicht beobachtend, bis wieder ein grosses Ereignis kommt. Dies führt zu einigen kleinen Längen im Film. Garland scheint eher interessiert am philosophischen Gedankgang an sich, als am inneren Terror, den dieser auslösen kann. Ganz im Gegensatz zum durchgehend düsteren Psychodrama im Buch. Dazu aber in einem weiteren Artikel mit Unterschieden zum Buch mehr.

    Fazit

    Garlands Annihilation ist ein starker, langsamer, philosophischer Sci-Fi Film mit bezaubernden Bildern in einer verstörenden, einzigartigen Welt.

    4/5 Sterne

    Annihilation/Auslöschung ist ab dem 12. März 2018 exklusiv auf Netflix streambar (überall ausserhalb der USA und Kanada).

     

     

    (Titelbild: Paramount Pictures / Photo Credit: Peter Mountain)

  • Cloverfield Paradox [Review] – viel Lärm um Mittelmass

    Cloverfield Paradox [Review] – viel Lärm um Mittelmass

    Cloverfield Paradox

    Netflix ist mit Cloverfield Paradox ein grossartiger PR Stunt gelungen. Noch nie lief ein Filmtrailer während dem Superbowl mit der Ankündigung, dass der Film zwei Stunden später bereits streambar ist. Erst recht nicht einer, der in eine bekannte Franchise eingebettet ist. Leider sagt dies noch nichts über die Qualität des Filmes aus und die war enttäuschend. 

    Cloverfield Paradox kann sich nicht entscheiden, was er eigentlich sein will. Das Ganze startet als durchaus soliden Mystery-Thriller: Crew geht ins Weltall um ein Experiment durchzuführen, das die Energieprobleme auf der Erde lösen soll. Dabei geht etwas schief und plötzlich häufen sich seltsame Vorkommnisse an Bord des Raumschiffes. Das Mysterium verspricht weckt Interesse, auch wenn die Charaktere bereits von Beginn weg ziemlich flach sind.

    Das erste grosse Ereignis nach dem Experiment sorgt dann auch für ordentlichen Grusel-Faktor, es wird bedrückend im All. Und dann… Dann macht der Film plötzlich eine 18o Grad Wende und stürzt mit mehr oder weniger freiwilliger Komik volle Wucht ins B-Movie Territorium.

    Okay, etwas Humor schadet ja nicht, also wird alles halt etwas cheesy. Die nächste Szene will aber plötzlich wieder hochdramatisch sein? Und oh, jetzt passiert hier noch etwas völlig Zufälliges, das noch jemanden umlegt? Hä? Was? Warum? Woher kommt? Ach, ich gebs auf. Scheint als hier jemand einfach zufällige Szenen aneinandergereiht, in denen jeweils wieder jemand sterben darf.

    So zumindest wirkt der Film, man endlich irritiert am Ende ankommt, wo dann noch die obligatorisch Cloverfield-Verbindung angetackert wird. Da verwundert es auch nicht mehr sonderlich, dass der ansonsten grandiose Darsteller Daniel Brühl während dem ganzen Film so wirkt, als wolle er die Sache so rasch als möglich hinter sich bringen. Hauptdarstellerin Gugu Mbatha-Raw kommt dafür umso besser weg, weil sie innerhalb des ganzen Chaos tatsächlich ihren Charakter irgendwie trägt.

    Auch der Bezug zum Cloververse enttäuscht. Es wird zwar im Film erklärt, woher die Monster kommen, aber dies geschieht auf eine total unverbindliche schwammige Weise. Intelligenter Entscheid um sich für zukünftige Filme alle Möglichkeiten offen zu behalten, allerdings nicht sonderlich befriedigend, wenn man eine raffinierte Erklärung erwartet.

    Fazit

    Cloverfield Paradox ist ein chaotischer Mix an zufälligen Szenen mit flachen Charaktere, dessen einzigen interessanter Punkt in der sehr losen Erläuterung zum Clevereres liegt.

    2.5/5 Sterne

    Cloverfield Paradox (2017), Regie: Julius Onah, USA.

    (Quelle Titelbild: Scott Garfield / Netflix)

  • Into the Forest [Review] – Schwestern-Drama im Dystopie-Gewand

    Into the Forest [Review] – Schwestern-Drama im Dystopie-Gewand

    Into the Forest (2016)

    Nell (Ellen Page) und Eva (Evan Rachel Wood) leben zusammen mit ihrem Vater in einem moderne Haus im Wald. Die jüngere Nell bereitet sich mit der neusten Technik auf ihre College-Aufnahmeprüfung vor, während die ältere Eva in ihrem Tanzraum für die Aufnahme an einer renommierten Ballettschule probt. Die Pläne der Schwestern werden abrupt unterbrochen, als ein ungeklärter Vorfall für einen landesweiten Stromausfall sorgt. Nach einigen Tagen lernen mit alten Bücher und tanzen zum Metronom, ist kein Ende der Stromkrise absehbar. Ein Trip zum nächsten Supermarkt zeigt bereits fast leere Regale, eine Begegnung auf der Strasse deutet auf den ersten gesellschaftlichen Verfall hin.

    Into the Forest ist aber trotz seines Marketing kein Dystopie-Thriller. Im Wald lauert auch kein Serienkiller und was genau die Apokalypse ausgelöst hat, spielt auch keine Rolle. Der Fokus liegt viel mehr auf den beiden Schwestern. Durch den Tod des Vaters plötzlich auf sich alleine gestellt, müssen sie nicht nur lernen von dem zu Überleben was der Wald bietet, sondern sie müssen auch miteinander zurechtkommen. Unterschiedliche Ansichten und Rivalitäten sorgen für Reibungen in einer Welt der knappen Ressourcen. So sehnt sich die Tänzerin danach ihren Körper zu Musik zu bewegen, doch es ist nur noch ein Benzinkanister für den Betrieb des Notfallgenerators übrig.

    Doch genauso wenig wie Nell und Eva manchmal miteinander können, genauso wenig können sie ohne einander. Nell Ist eigentlich die Jüngere, doch nimmt sie bald die treibende Rolle im Überlebenskampf ein. Eva ist die Träumerin, der die harte Realität wesentlich schwerer fällt. Ellen Page und Evan Rachel Wood gehen ganz in ihren Rollen auf, spielen sich wunderbar gegenseitig den Ball zu. So tragen die beiden den Film einwandfrei, obwohl die Geschichte sich fast komplett auf das Haus und den umgebenden Wald beschränkt.

    Dazu versteht es Regisseurin Patricia Rozema mit präzisen Bildern viel auszusagen. So stirbt der Vaters bereits relativ früh, aber Rozema hat die beiden Schwestern und ihre Beziehung zum Vater zu diesem Zeitpunkt bereits derart gut charakterisiert, dass die Szene tief einfährt. Ebenso wie sie den lüsternen Blick des Supermarktverkäufers auf die beiden Schwestern einfängt, oder mit dem langsamen Zerfall des Hauses, dieses ebenfalls zum Teil der Geschichte macht.

    Das einzige was dabei ein wenig verloren geht ist ein übergreifender Handlungsbogen. Das Ende ist zwar ein neuer Abschnitt für die beiden Schwestern, bietet dem Zuschauer aber keinen bequemen Abschluss der Geschichte.

    Bis dahin erzählt Rozema die Geschichte aber in starken Bilder, fängt Düsternis ebenso ein wie Hoffnung und kreiert damit eine low-key Dystopie Erzählung weit ab vom üblichen Einheitsprei. Damit reiht sich Into the Forest perfekt in das ungewöhnliche Portofolio von Filmstudio A24 ein,

    Fazit

    Into the Forest ist ein starkes, intelligentes Dystopie-Drama über die Beziehung zweier Schwestern mit meisterhaften Schauspiel-Leistungen von Ellen Page und Evan Rachel Wood.

    4/5 Sterne

    Into the Forest ist momentan auf NetflixDE, sowie auf Blu-Ray, DVD und digital erhältlich.

     

     

    Into the Forest (2016), Regie: Patricia Rozema, Kanada.

  • Grave / Raw [Review] – blutige Coming-of-Age-Story

    Grave / Raw [Review] – blutige Coming-of-Age-Story

    Grave war der “Schockfilm” 2016 am Cannes Film Festival mit Ohnmachtsabfällen im Publikum. Den Film darauf zu beschränken wäre aber falsch. Tatsächlich nutzt Regisseurin Julia Ducournau Schockmomente sehr präzise, um eine tiefe Coming-Of-Age Geschichte zu erzählen.

    Justine zieht von zu Hause aus, um alleine auf dem Universitätscampus zu leben. Dort setzt sie die Familientradition fort und studiert Veterinärmedizin, wie bereits ihre ältere Schwester. Zum ersten Mal findet sich Justine damit ausserhalb der elterlichen Regeln und als sie beim Ritual für Neustudierende aufgefordert wird Fleisch zu essen, gibt sie dem Druck trotz ihres vegetarischen Elternhauses nach. Was ziemlich banal klingt, entwickelt sich bald zu einem ernsthaften Problem: Justine entwickelt eine zunehmend unkontrollierbare Lust nach Fleisch, menschlichem Fleisch.

    Die Symbolik ist ziemlich eindeutig: Überbehütet aufgewachsene junge Frau testet ihre neue Freiheit aus und schlägt dabei erst recht über die Stränge. Zumal die Eltern nur mit Verboten statt mit Erklärungen gearbeitet haben. Das der erste Auslöser Gruppendruck ist, passt dazu wunderbar.

    Justines ältere Schwester hätte zwar die Möglichkeit dem entgegen zu treten, doch statt der jüngeren zu helfen, sucht sie lieber nach einem Partner-in-Crime und stösst Justine genauso ins kalte Wasser. Mit der Betrachtung einer schwierigen Schwestern-Beziehung erinnert mich Grave beinahe ein wenig an den älteren B-Movie Horror-Kultfilm Ginger Snaps (2000), auch wenn die beiden Filme gerade bezüglich Produktion und Kamera keineswegs vergleichbar sind.

    Dabei nimmt Regisseurin Ducournau den Zuschauer mit in den Kopf von Justine. Strauchelt sie verloren durch eine Party, schwingt die Kamera mit. Schockmomente werden langsam aufgebaut. Die Bilder unterstützen mit einer präzisen Kälte Justines Verlorenheit. Die Cinematographie ist ebenso deutlich passend aufgebaut wie die Geschichte.

    So finden sich in Grave auch gar nicht derart viele brutale Szenen. Ducournau knallt nicht einfach des Schockes wegen möglichst viel Blut in den Film, sie nutzt besagte Szenen stattdessen sehr gezielt, maximiert deren Wirkung.

    Dabei vermischt sich Justines ungewöhnliche Lust nach wortwörtlichem Fleisch bald mit der «gewöhnlichen» Lust, ihrer ebenfalls erwachender Sexualität. Und spätestens hier mischt sich eine weitere Zutat in das Spiel: eine ausgezeichnete Portion makabrer Humor. Als ob die eine Luste ohne die andere nicht schon genug kompliziert wäre.

    Der Titel Grave ist dann übrigens auch französisch für „schwerwiegend, gravierend“ und nicht das englische Wort für Grab.

    Und mittendrin natürlich Garance Marillier  als Justine, die sowohl Justines verletzliche Verlorenheit, als auch ihre schlummernde animalische Kraft mit Wucht auf die Leinwand bringt.

    Fazit

    Grave ist eine herausragende, blutig-makabre Coming-of-Age Story mit unzimperlicher, fesselnder Cinematographie.

    5/5 Sterne

    Grave läuft aktuell im Riff Raff Kino in Zürich in französischer Originalsprache mit englischen Untertiteln und ist ab dem 26.10.2017 auf DVD/Blu-Ray/digital erhältlich.

    Grave (2016), Regie: Julia Ducournau, Frankreich.