Kategorie: Reviews

  • Le Fidèle / The Racer and the Jailbird [Review/ZFF]

    Le Fidèle / The Racer and the Jailbird [Review/ZFF]

    Dass Regisseur Michaël R. Roskam ein Händchen für Gangster-Thrillers hat, bewies er bereits mit seinem letzten grossartigen Film The Drop (2014) bewiesen. In Le Fidèle nutzt er dies als Setting für eine rasante Liebesgeschichte.

    Bibi (Adèle Exarchopoulos) ist eine Autorennfahrerin aus gutem Hause, Gigi (Matthias Schoenaerts) aufgewachsen im Crime-Milieu und Teil einer Gang. Romeo und Juliette könnte man sagen, aber würde damit dem Grossteil des Filmes Unrecht tun. Obwohl Bibi sich nämlich durchaus mit einer naiven Unerfahrenheit auf Gigi einlässt, stellt der Film die beiden ansonsten stehts auf gleiche Ebene. Bibi ist das weibliche Alpha-Gegenstück zu Gigi. Zumal die beiden Darsteller eine unbestreitbare gute Chemie untereinander haben. Bibi ahnt das Gig etwas verbirgt, findet vielleicht aber genau dies neben Bibis charmanter Art ebenso reizvoll wie die Geschwindigkeit in ihrem Auto zu spüren.

    Besagte Fahrszenen sind dabei genauso ein Augenschmaus wie der Rest des Filmes. Roskam hat eine Vorliebe für perfekt abgestimmte erdig-dunkle Farbpaletten, die auch in Le Fidèle wunderbar passen. Daneben spielt er mit Licht und Schatten. Genause wie viele Figuren in Le Fidèle etwas zu verbergen haben, verbirgt Roskam häufig Teile von Gesichter und Geschehnissen im Schatten und spielt mit Kontrasten.

    Als Gigis kriminelle Aktivitäten schliesslich aus dem Schatten tretten, geschieht dies natürlich nicht durch ein Geständnis seinerseits. Ein misslungener Transportüberfall lässt ihn und seine Gang auffliegen. Ein Überfall, der übrigens genauso wenig beschönigt wird wie der Rest des Miliue. Roskam badet nicht im Gangster-Glamour, seine Geschichte liegt näher an der dreckigen Realität.

    Genauso wie die Realität ist dann auch La Fidèle nicht vorhersehbar. Nachdem das Chaos erst einmal an die Oberfläche gebrochen ist, gibt es so schnell nicht mehr Ruhe. Geplante und ungeplante Geschehnisse zerren an Gigi und Bibi.

    Leider kommt damit auch der einzige Wehrmutstropfen im Film: Mit zunehmende Lauf wird Bibi von Gigis Gegenstück zur Märtyrerin und der Film fällt in das alte Muster von der aufopfernde weiblichen Liebe. Immerhin macht Rosman aber auch dann Gigi nicht zur passiv Leidenden, sondern lässt sie selbst aktiv und nicht ohne Spuren von Egoismus in ihr Märtyrertum laufen.

    Fazit

    Eine unvorhersehbare Gangster-Thriller-Liebesgeschichte weitab von Zucker-Glamour und trotzdem ein visueller Augenschmaus. Einer der besten Filme des diesjährigen ZFF.

    4.5/5 Sterne

    Le Fidèle läuft ab dem 21.12.2017 in den Deutschschweizer Kinos und lief am 13. Zurich Film Festival.

     

    Le Fidèle. Reg.: Michaël R. Roskam, Belgien/Niederlanden/Frankreich.

  • XX [Review] – All-Female Horror Anthologie

    XX [Review] – All-Female Horror Anthologie

    XX Szenenbild

    4 Geschichten, 4 Regisseurinnen, 4 mal Horror. Die Film-Anthologie XX gibt vier Regisseurinnen Raum, um ihre Horrorkurzfilme zu präsentieren. Das Resultat sind ganz unterschiedliche Geschichten, die alle ihre eigene Stärke aufweisen.

    Die Kurzfilme sind nicht thematisch verknüpft, stattdessen sorgen morbid-absurde Animationssequenzen von Sofia Carillo für Übergänge. Zwei der Regisseurinnen präsentieren Erstlingswerke während Karyn Kusama und Roxanne Benjamin bereit mehr Erfahrung mitbringen.

    Über Kusamas letzten Film The Invitation (2015) habe ich ja bereits ein schwärmerisches Review verfasst, ihr Kurzfilm „Her Only Living Son“ ist dann auch deutlich der Höhepunkt der Anthologie. Eine Mutter macht sich Sorgen, um das zunehmende seltsame Verhalten ihres bald volljährigen Sohnes. Eine Art „was-wäre-wenn“ Fortsetzung zu Rosmarys Baby, ein Dilemma über die Grenzen oder Nicht-Grenzen von Mutterliebe. Von unheimlich geht der dieser Horror somit ziemlich rasch ins tief Persönliche, perfekt getragen von Christina Kirk und Kyle Allen als Mutter bzw. Sohn.

    Roxanne Benjamin hat bisher vor allem Kurzfilme gedreht und ein Segment zur Horror-Anthologie Southbound (2015) beigesteuert. Sie bleibt mit „Don’t Fall“ in klassischen Horror-Gefilden. Eine Gruppe Teenager campiert in der freien Wildnis, in der Nähe eines ursprünglich heiligen Ortes. Ziemlich rasch merken sie dann natürlich, weswegen ihnen davon abgeraten wurde. „Don’t Fall“ ist gradlinig, die Umsetzung aber gelungen grauenerregend. Starke Maske, unheimliche Kameraführung mit einprägenden Bildern und gelungen Jumpscares heben die Erzählung heraus.

    Die restlichen beiden Kurzfilme sind nicht ganz auf demselben Niveau, bringen aber ihre eignen Spezialitäten. „The Birthday Party“ ist von Regisseurin Annie Clark, auch bekannt als Musikern „St. Vincent“. Eine Mutter plant die perfekte Geburtstagsparty für ihr Kind, als eine Leiche im Haus auftaucht. Panisch versucht sie den ungeplanten Vorfall zur verbergen, während neugierige Nachbarn an der Türe klingen und sorgt damit für zunehmende Eskalation. Mehr schwarze Komödie als Horror, stich der Film vor allem durch Clarks Auge für Farben heraus. Hinter perfekten kräftigen Farbpaletten und Symmetrien schlummert der Vorstadt-Horror. Der Humor will nicht immer ganz zünden, das Finale ist aber ein wunderbares Abbild von überbordenden Panik, die nur verschlimmbessert.

    Damit fehlt noch der Einstiegsfilm „The Box“ von Jovanka Vuckovic. Mutter und Sohn begegnen währen eine Person einem Fremden, der dem Sohn den Inhalt einer mysteriösen Box zeigt. Zurück zu Hause weigert sich der Junge zu Essen. Mit Horror muss die Mutter mitverfolgen, wie ihr Sohn sich zunehmend zu Tode hungert und plötzlich beginnt sich auch der Rest der Familie von ihr zu entfernen. Basierend auf Jack Ketchums The Box, verweigert auch Vuckovic eine endgültige Aufklärung und fokussiert auf die Verzweiflung und Isolation der Mutter. Solide umgesetzt, bleibt der Kurzfilm dabei aber etwas kühl.

    Fazit

    Mit „Her Only Living Son“ und „Don’t Fall” stechen ein psychologischer Genre-Twist und eine klassische Monster-Erzählung heraus, aber auch die schwarze Horror-Komödie „The Birthday Party“ und das Horror-Drama „The Box“ bringen genug um XX als Gesamtes sehenswert zu machen, wenn man mal etwas andere Erzählungen sucht.

    3.5/5 Sterne

    XX(2017) ist erhältlich auf NetflixDE, Blu-Ray und DVD.

     

    XX(2017). Reg.: Roxanne Benjamin, Karyn Kusama, St. Vincent, Jovanka Vuckovic, Kanada/USA,

     

  • The Dark Tapes [Review] – frischer Wind im Found Footage Horror

    The Dark Tapes [Review] – frischer Wind im Found Footage Horror

     

    Das Found Footage Horror Genre ist schon ziemlich flachgetreten, doch den Regisseuren von The Dark Tapes gelingt es Frische hineinzubringen. Mit vier Geschichten, einer Rahmenstory und einem Genre-Mix von Horror, Mystery und Sci-Fi überraschen Michael McQuown und Vincent J. Guastini trotz kleinem Budget.

    Der Einstieg verlangt etwas Geduld. Zwei Kollegen finden von ihrem verschwundenem Freund Dr. Martin Callahan nur noch ein paar seltsame wissenschaftliche Geräte und Videokassetten vor. Als sie die Kassetten abspielen, entdecken sie, dass Martin die Existenz von realen Dämonen während der sogenannten Schlafstarre beweisen wollen. Die erste Story „How to Catch a Demon“ beginnt und es folgt erstmal ein Haufen Theorie-Gerede von Martin. Glücklicherweise setzt dieses aber die Basis für ein ausgezeichnetes „Show-don’t-Tell“ Horror-Segment, dass für aufgestellte Nackenhaare sorgt.

    Dabei wird „How to Catch a Demon“ mehrmals von den anderen drei Anthologie-Geschichten unterbrochen. Alle starten als altbekannte Musters: „The Hunter & The Hunted“ ist ein Haunted House im Stil von Paranormal Activity. „Cam Girls“ ist eine Camgirl-Sitzung, die bald unheimliche Züge annimmt und „Amanda‘s Revenge“ erzählt von Amanda, die ihre Vergewaltigung offenbar mit einer Alien-Geschichte zu verdrängen scheint.

    Nur „Cam Girls“ ist am Ende aber wirklich genau das, was es scheint und damit auch der schwächste Part des Film. Es gibt durchaus solide inszeniertes Blut, Lesbengeknutsche und unheimliches Bildgeflimmer, das Ganze bleibt am Ende aber vergesslich.

    Die anderen beiden Segmente überraschen aber mit ungewöhnlichen Ansätzen. Über „The Hunters & The Hunted“ will ich deswegen gar nicht zu viel sagen. Der Horror-Part funktioniert bestens und dann wird alles noch besser. „Amanda’s Revenge“ zieht seine Stärke aus der ungewöhnlichen Erzählweise. Aus der Perspektive eines Freundes von Amanda erzählt, der versucht ihr zu helfen, hat die Geschichte einen ungewöhnlichen Verlauf.

    Alle haben gemeinsam, dass Atmosphäre klar vor Schockeffekten kommt. In allen wird die Spannung zunehmend aufgebaut, um mit einem kräftigen Finale zu enden. Viel wird der Fantasie des Zuschauers überlassen, klassische Horror-Muster genutzt, um die Vorstellung im Kopf in die gewollte Richtung zu lenken. In den wenigen Momenten in denen das Übersinnliche doch sichtbar wird, ist das kleine Budget sichtbar (gemäss IMDB gerade mal geschätzte 65‘000 US-Dollars). Doch statt computergenierten Effekte setzten die Regisseure dann auf gelungene Masken und schummriges Licht, was dem Film zuträglich ist. Gar nichts auszusetzen gibt es an den Darstellern, die alle ihre Rollen füllen. Selbst dann, wenn es mal wieder etwas weniger Sinn macht, dass da jetzt noch mit der Kamera gefilmt wird.

    Fazit
    Wer Horror-Anthologien mag, kann The Dark Tapes ruhig einen Blick gönnen. Trotz einem vergessbaren Segment, überzeugen die drei anderen Geschichten mit subtiler Atmosphäre, überraschende Wendungen oder ungewöhnlichen Erzählstrukturen.

    3.5/5 Sterne

    The Dark Tapes ist weltweit in englischer Sprache erhältlich zum Kauf und Miete in digitaler Form auf Vimeo. 

     

     

    The Dark Tapes (2017), Reg.: Vincent J. Guastini, Michael McQuown, USA.

     

  • The Endless [Review/NIFFF17] – virtuoser atmoshphärischer Horror

    The Endless [Review/NIFFF17] – virtuoser atmoshphärischer Horror

    Regisseure Benson und Moorhead sind bereits mit der Horror-Romanze Spring positiv aufgefallen. Mit The Endless wagen sie sich nun in düsteres Territorium mit einem atomsphärischen, lovecraftschen Horror-Thriller über eine Sekte im Wald.

    “Lovecraftisch” wird gerne benutzt um jeden Horror zu beschreiben, der etwas atmosphärischer ist, The Endless verdient diesen Titel aber ohne Zweifel. Von der ersten Szene an kreieren die Regisseure Justin Benson und Aaron Moorhead eine Stimmung voller Unbehaglichkeit. Die Brüder Justin und Aaron, ebenfalls gespielt von Benson und Moorhead, sind ehemaligen Mitglieder einer UFO-Sekte. In ihrem neuen Leben haben sie sich mehr schlecht als recht eingerichtet. Als sie eine mysteriöse Abschiedsbotschaft von der Sekte erhalten, beschliessen die Beiden für ein paar Tage zu ihren Wurzen zurückzukehren. Auf was sie dort wirklich treffen, sind sie aber überhaupt nicht vorbereitet.

    Die Rückkehr erfolgt für den jüngeren Aaron mit nostalgischen Gefühle für das einfachere Sekten-Leben, während Justin nur wiederwillig mitkommt. Die beiden Brüder nehmen damit die Gesellschaft im abgelegenen Wald aus unterschiedliche Perspektiven wahr. Dementsprechend ist es Justin, dem bald auffällt, dass im scheinbar friedliche Naturgebiet etwas nicht stimmt. Es sind subtile Details, die ihn, genauso wie den Filmzuschauer, irritieren und auf etwas Grösseres hinweisen.

    Während die Sektenmitglieder friedlich ihre Lieder singen, hat der düstere Wald etwas von Beginn weg bedrohliches an sich. In Braun-Grün-Grau-Tönen gehalten herrscht eine ungewisse Enge, etwas scheint stets zu lauern. Dadurch bauen A und B eine vielversprechende Atmosphäre auf. Dass Grauen herrscht im Detail, es entsteht aus der Situation.

    Was The Endless wirklich herausstechend lässt ist aber, dass a und B nicht nur mit Inszenierung etwas tolles versprechen, sondern dies auch liefern. Was sich hinter der Gemeinschaft verbirgt, ist ein kein blosses ausgelatschtes Horror-Klischee. Stattdessen ein bedrückender, verrücktmachender Entwurf verschiedener Realitäten. Dieser sind nicht nur bedrohlich für die beiden Brüder, sondern konfrontieren sie auch auf ganz persönlicher Ebene mit ihrer Beziehung untereinander. Wenn sie eine Chance haben wollen, müssen die Beiden sich auch mit sich selbst befassen.

    Fazit
    The Endless ist ein subtiles, poetisches Horror-Thriller Meisterwerk mit einer lovecraftschen bedrückende Atmosphäre. Dessen Geschichte unbekannte raffinierte Pfade betritt und dabei geschickt das Grauen auch auf das Innere der beiden Protagonisten zurückspiegelt.

    5/5 Sterne

     

    Fun Fact aus dem Q&A am NIFFF
    Obwohl schon alle bisherigen Filme von Benson und Morrhead einen deutliche lovecraftschen Vibe haben, hatten sie lange kein einzige Geschichte von Lovecraft gelesen. Erst als die ersten Kritiker ihre Filme als „lovecraftisch“ bezeichneten, beschlossen die beiden einmal ein paar Text zu lesen von dem Typ mit dem sie immer verglichen werden.

     

    LEICHTER SPOLIER:
    The Endless ist leicht verknüpft mit dem Erstling der Regisseure, Resolution (2012), aber keine direkte Fortsetzung.

     

     

    The Endless(2017), Reg.: Justin Benson & Aaron Moorhead, USA.

  • El Bar [Review/NIFFF17] – jeder für sich

    El Bar [Review/NIFFF17] – jeder für sich

    Man stecke eine Gruppe verschiedener Fremder in eine Bar, fügte eine unbekannte Bedrohung dazu und wartet wie lange es dauert, bis sie sich gegenseitig verdächtigen. Als die Gäste einer spanischen Bar merken, dass ein Scharfschütze alle erschiesst, die das Gebäude verlassen, dauert es nicht sehr lange bis zu den ersten Anschuldigungen.

    Erster Verdächtiger: Der Hipster mit Bart und grosser Ledertasche. Einige Gäste haben sofort ihr Terroristen-Feindbild gefunden. Versuche ihn zu verteidigen enden in der Anschuldigen der nächsten Person. Dazu stiftet der mit Bibel-Zitaten um sich schmeissende Obdachlose sein eigenes Chaos. Präzise Dialoge sorgen für eine beklemmende Stimmung und Schlagabtäusche, die trotzdem auch eine gute Portion Humor tragen. Im Hintergrund untermalt die Musik das schwellende Chaos. Mal leise und dezent, mal im markanten Cresendo.

    Da die Mehrheit der Gäste sich nicht oder kaum kennt, entstehen Konflikte über Steorotypen in den Köpfen, Angst vor Unbekannten und einer Entladung von Klassenkonflikten. Die Bar wird zu einem kleinen Abbild der Gesellschaft. Zusammengedrängt können die Bargäste sich gegenseitig nicht ausweichen. Ein Gefühl, das mit der Kamera unter anderem durch viele Close-Ups verstärkt wird.

    Als die Ursache für die Todesfälle schliesslich gefunden wird, bessert sich die Lage keineswegs. Jeder versucht nun irgendwie zu leben. Bündnisse werden eingegangen und wieder verraten. Vom dialogfokus weicht Regisseur Iglesias nun etwas ab, während das Tempo des Films zunimmt. Die zu Beginn vorhandene Unterschwelligkeit weicht direktem Konflikt. Einige aufgeworfenen Konzepte gehen dabei etwas verloren. Noch immer geht es aber im Kern darum, wem man in einer Extremsituation über den Weg trauen kann. Wem man hilft und wem man in den Rücken schiesst, wenn man Ende selbst heil davonkommen will. Ob es überhaupt möglich ist, dass Gewissen rein zu halten, wann man nicht verdrückt werden will. Aufatmen geht erst am Ende wieder.
    Fazit

    El Bar ist schwarze Komödie und ein Film voller Beklemmung zugleich. Wird vom Spiel mit Dialogen zunehmend zu einem intensiven Strudel in die Abgründe der Menschlichkeit, während jeder für sich versucht zu überleben.

    4.5/5 Sterne

    El Bar hat am NIFFF 2017 den Silver Méliès für den besten EU Feature Film gewonnen.

    UPDATE: El Bar ist auf Netflix DE verfügbar.

    El Bar (2017), Reg.: Álex de la Iglesias, Spanien.

  • Tragedy Girls [Review/NIFFF17]

    Tragedy Girls [Review/NIFFF17]

    Highschool-Girls, BFFs, Eifersucht, Social Media und Serienkiller, klingt nach dem typische Horror-Slasher. Tragedy Girls verdreht das bekannt Muster aber humorvoll, mit Girls, die keineswegs die Opferrolle einnehmen.

    McKayla (Alexandra Shipp) und Sadie (Brianna Hildebrand) wollen, was viele Teenager in ihrem Alter halt so wollen: Aufmerksamkeit. Dass sie dafür Social Media wählen, ist auch nicht weiter ungewöhnlich, wie sie das Material für ihre Posts zusammenbekommen ist allerdings, speziell. Die beiden besten Freundinnen haben ein Ding für Serienkiller und dies nicht in der passiven Art: Statt Mörder anzuhimmeln schreiten die beiden kurzerhand selbst zur Tat, um anschliessen auf ihren Social Media Kanäle über die „tragischen“ Todesfälle zu berichten.

    Die beiden Darstellerinnen Shipp und Hildebrand sind dabei pure Perlen. Wie sie die verzweifelte Sucht der Girls nach mehr Likes und ihre Lust an den Mordplänen auf die Leinwand bringen ist einfach nur herrlich komisch. Das besagt Pläne dabei oft absurd schief gehen, trägt zum Unterhaltungswert bei. Der dabei ärgste Feind der beiden Mädels? Der Sheriff. Aber nicht etwa weil er ihnen auf der Spure wäre, sondern weil er die Morde partout als Unfälle vertuschen will, um eine Panik zu vermeiden. Um endlich die gesuchte Aufmerksamkeit zu bekommen, müsse McKayla und Sadie deswegen zunehmend erfinderischer werden. Dazu wiegeln sie auch gerne mal die ganze Stadtbevölkerung auf. Und zum Glück haben die beiden wenigsten den Sohns des Sheriffs (Jack Quaid) im Wickel.

    Aber Ruhm hat bekanntlich seine Schattenseiten und ist schwierig zu teilen. So stellt die zunehmende Bekanntheit der beiden bald ihre Freundschaft auf eine harte Probe. Eifersucht zwischen BFFs ist natürlich ebenfalls ein bekanntes Muster von Highschool-Filmen und Tragedy Girls bleibt am Ende auch immer etwas vorhersehbar. Dabei wird man aber trotzdem immer so wunderbar humorvoll unterhalten, dass dies nicht stark stört. Und die Geschiche um die Freundschaft der beiden gibt dem ganzen Chaos einen runden Rahmen.

    Fazit

    Tragedy Girl ist eine herrlich rasante Slasher-Komödie mit wunderbarem schwarzem Humor, in der für einmal die Girls morden dürfen. Inkl. Seitenhiebe auf die Sucht nach Social Media Berühmtheit.

    4/5 Sterne

    UPDATE: Tragedy Girls läuft vom 11. – 21 Mai 2018 im B-Movie Kino in Basel, Schweiz.

    Tragedy Girls läuft noch einmal am Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) am 8. Juli 2017 um 17:30.

    Tragedy Girls (2017), Reg.: Tyler Macintyre, USA.

  • Reset [Review/NIFFF17] – Zeitreise mit Mutter-Sohn Fokus

    Reset [Review/NIFFF17] – Zeitreise mit Mutter-Sohn Fokus

    Xia Tian (Mi Yang) arbeitet als Wissenschaftlerin an einer Maschine, die Lebewesen in der Zeit zurück senden soll. Erste Versuche mit Affen scheinen vielversprechend. Doch die Konkurrenz schläft nicht und entführt kurzerhand Xians Sohn Dou Dou. Um ihn zu retten risikiert Xia alles und macht sich selbst zum ersten menschlichen Versuchsobjekt um in die Vergangenheit zu reisen.
    Wie fast bei allen Zeitreise-Storys geht auch bei Reset nicht immer alles zu 100% auf. Aber während andere verzweifelt versuchen Logiklöcher mit noch mehr absurden Erläuterungen zu stopfen, sind die Zeitreisen in Reset einfach nicht wirkliche Zeitreisen, sondern Reisen in Parallele-Dimensionen. Dadurch können irgendwann auch mehrere Xians unterwegs sein, ohne dass die innere Logik das Films komplett zerbricht.

    Jawohl mehrere Xians, ein Gimmick das Regisseur Chang ausgezeichnet nutzt. Während Xia im ersten „Durchlauf“ noch komplett überfordert und verzweifelt ist, nimmt ihre Entschlossenheit bei jeder Reise zu. Von verzweifeltem über das Dach Stolpern, bis zum wehrhaften Zurückschlagen nimmt die Action damit fortlaufen zu. Trotzdem bleibt letzere ein Schwachpunkt des Films. Überzeugen die Actionszenen erst noch damit, dass eine verzweifelte Xian erfinderisch werden muss, sind gerade die späteren, eigentlich schnelleren, Action-Sequenzen nicht wirklich speziell. Da wäre mit Zeiteisen und mehreren Versionen einer Person noch etwas mehr dringelegen.

    Was Reset dafür speziell macht, ist der starke Fokus auf die Mutter-Sohn Beziehung. Normalerweise muss der meist männliche Held in solchen Situation die Welt oder seine Geliebte retten oder sich für irgendwas rächen. Xia geht es nur um ihren Sohn, allen Xians geht es nur un ihren Sohn, so unterschiedlich sie mit der Zeit auch agieren. Und der Film hält diesen Fokus bis am Ende. Alle weiteren kleinen Twists und Eigenheiten der Zeitreise müssen am Ende hinter diesen Thematik anstehen.

    Fazit

    Reset nutzt die Zeitreise-Thematik nicht für komplexe Twists und Tricks und die Action ist durchschnittlich. Dafür überrascht der Film mit einem speziellen Fokus auf einer Mutter, die ihren Sohn retten will und dabei bei jedem Zeitdurchlauf nicht an Hoffnung verliert, sonden an knallharter Entschlossenheit gewinnt.

    3/5 Sterne

    Reset läuft noch einmal am Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) am 8. Juli 2017 um 15:00 Uhr.

    Reset (2017), Reg.: Chang, China/Südkorea.

  • Hostile [Review/NIFFF17] – Dystopie Thriller mit Background Romanze

    Hostile [Review/NIFFF17] – Dystopie Thriller mit Background Romanze

    Juliette ist in einer dystopischen Zukunft auf der Suche nach Essen, als sie durch einen Autonunfall kurz vor Sonnuntergang alleine in der Wüste strandet. Ungünstig, da in der Nacht Monster aus ihren Löcher kriechen, denen Juliette definitv nicht über den Weg laufen will. Erst recht nicht alleine, mit wenig Munition und einem gebrochenen Bein.

    Genau in dieser Situation findet sie sich aber wieder mit dem Autowrack als einzige Zufluchtsmöglichkeit im Dunkeln. Und Dunkel heisst in diesem Film wirklich dunkel. Wo das Bild anderswo leidliglich einem etwas dünkleren Tag gleicht, ist die Dunkelheit hier undurchdringbar pechschwarz. Nur was tatsächlich von Lichtquellen erleuchtet wird, ist in Kegeln sichtbar. Zusammen mit der Beschränkung auf das Autowrack als Handlungsgebiet sorgt dies für eine intensive klaustrophobische Stimmung. Das Spiel mit Licht und Schatten funktioniert definitiv.

    Auch Darstellerin Brittany Ashworth trägt dazu eine ganze Menge bei, zumal sie alle diese Szenen praktisch alleine tragen muss, während Juliette zwischen purer Panik und Mut hin und herschwankt.

    Unterbrochen wird das Kautz und Maus Spiel beim Autowrack immer wieder von Rückblenden aus Juliettes Vergangenheit. Diese sind ein zweischneidiges Schwert. Sie folgen Juliettes erster Begegnung mit ihrem Ehemannes bis hin zum Auslöster des dystopsichen Untergangs. Die Beziehung ist dabei ein sehr simpel überzeichnetes Muster von reicher Mann trifft auf arme Frau, verliebt sich und rettet sie. Und obwohl der Film einige damit aufkommende Probleme am Ende doch noch antönt, bleibt das Ganze doch zu flach, um nicht einfach nur seltsam zu wirken. Spannend ist die Geschichte damit vor allem weil sie verspricht aufzudecken woher die Monster kommen. Und weil glücklicherweise die Chemie zwischen den beiden Darstellerin Ashworth und Grégory Fitoussi stimmt. Dadurch funktionieren zumindest die einzelnen Szenen der Beziehung, auch wenn der ganze Geschichtbogen einen fahlen Geschmack hinterlässt.

    Die Rückblenden unterbrechen auch immer wieder den Spannungsbogen der Haupthandlung, was zu Beginn etwas mühsam ist. Mit der Zeit verleihen sie aber Juliette mehr Tiefe und beinflussen die Hauptstory zunehmen.

    Ausserdem sind da noch die Monster. Der Film lässt sich positiv viel Zeit, bis sie voll sichtbar ins Licht treten und dann überzeugen sie voll. Das Konzept an sich mag nicht super originell sein, die Umsetzung ist aber ein geniales Maskenwerk, das wirkt.

    Fazit
    Hostile verbringt eine Teil der Erzählung in Rückblenden, die mit ihrer fahlen „Weisser Ritter“-Romanze nicht ganz überzeugen. Die Haupthandlung ist aber ein intensives Versteckspiel ums Überleben in und um ein Autowrack mit einem präzisen Einsatz von Licht, Schatten und Kamera.

    3.5/5 Sterne

    UPDATE: Hostile läuft im Schweizer B- Movie Kino in Basel vom 7.  – 11. Juni 2018.

    Hostile läuft noch einmal am Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) am 7. Juli 2018 um 22.30.

    Hostile (2017), Reg.: Mathieu Turi, Frankreich.

  • Le Manoir [Review/NIFFF17]

    Le Manoir [Review/NIFFF17]


    Eine Gruppe junger Erwachsener feiert Party in abgelegener Villa – kommt selten gut. Aber wird nicht immer so absolut grandios unterhaltsam wie in dieser tiefschwarzen und nicht mit Anzüglichkeiten geizenden, französischen Komödie.

    Die letze Neujahresparty bevor sich eine Gruppe Freunde in den Ernst des Lebens aufmacht, soll ein Kracher werden. Da kommt die verdächtig günstig mietbar Villa abgelegen im Wald grade recht. Das total verliebte Pärchen mit Chiau Chiau lädt ein, es kommen das Pärchen, das eigentlich nicht mehr zusammen ist, die schüchterne Cousine, die knallhart athletische Kollegin, das Muttersöhnchen, der angehende Schaupieler und der Hipster mit Drogenkoffer (die aber alle voll Natur sind im Fall!).

    Das sind natürlich Klischeemuster, aber Regisseur Datis gelingt es trotzdem keine Storyschablonen, sondern glaubhafte Charaktere in die Grusel-Villa zu schicken. Er präsentiert nicht überzeichnet jeden der Partygäste, sondern legt die soziale Hackordnung knackig in der ersten Szene fest, um dannach die Beziehungen unter den Charakteren in der Geschichte auszubauen. Nur die „nerdige“ Cousine bekommt etwas wenig Kanten ab.

    Deswegen funktioniert Le Manoir auch so wundebar: Die Geschehnisse mögen nicht neu sein, aber die Reaktionen der Charaktere sind präzises Comedic Timing und die Dialoge haken genau an den richtigen Stellen ein. Dabei gehts auch gerne unter die Gürteline, verkommt aber nicht zu prüdem „Haha, er hat Titten gesagt“-Humor. Ganz im Gegenteil sind hier alle ziemlich wunderbar direkt. 

    So wird die partywütige Meute bald von Vorkommnissen unterbrochen, die ihnen ihre Laune gehörig vermiest. Neben der Villa an sich, kommen auch noch gehörige Mengen an Alkohol, ein paar Pilzchen und Eifersucht ins Spiel. Was irgendwann in einem wunderbar absurden Finale endet, das man auf diese Weise kaum erwartet hat.

    Die Vielfalt unter den Partygästen sorgt auf dem Weg dahin für eine Menge an absurden Situationen (und ja, natürlich Todesfälle) und dass alle im 2000 Jahre Motto verkleidet sind, gibt mancher Szene noch den krönenden Abschluss.

    Fazit

    Le Manoir ist eine herrlich absurde Horror-Party Komödie, in der das Zusammenspiel zwischen vielfältigen Charakteren mit scharfen Dialogen zu einer Menge an urkomischen Situationen führt, die mit Klischees spielen, ihnen aber nie komplett verfallen. NIFFF-Filmtipp!

    4.5/5 Sterne

    Le Manoir läuft noch einmal am 7. Juli 2017 am Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF).

    Le Manoir (2017), Reg.: Tony T. Datis, Frankreich.

  • Road to the Well [Review] – Noir-Roadtrip um Lügen und Begierden

    Road to the Well [Review] – Noir-Roadtrip um Lügen und Begierden

    Eine unerwartete Leiche im Kofferraum führt zu einem Kumpel-Roadtrip um jene wieder loszuwerden. Dabei brechen alte Wunden und neue Lügen an die Oberfläche. Regisseur Jon Cvack hat seinen Indie-Film über Kickstarter finanziert.

    Frank hat sich dem Alltagstrott schon lange unterworfen. Gleichgültig in Job und Ehe dämmert er vor sich hin, bis sein alter Freund Jack in der Stadt auftaucht. Zusammen erscheinen sie unerwartet an einer Party, wo Frank prompt seine Frau beim Fremdgehen erwischt. Wütend betrinkt sich Frank in einer Bar und lässt sich auf einen One-Night Stand mit Ruby ein. Das böse Erwachen folgt kurz darauf: Frank findet am frühen Morgen Rubys Leiche in seinem Auto. Überzeugt davon als Erster verdächtig zu werden, entscheidet er zusammen mit Jack die Leiche verschwinden zu lassen. Praktisch, dass er für seinen Arbeit sowieso für sechs Monate in den Norden reisen muss. Jetzt findet der Roadtrip halt zusammen mit Jack und einer Leiche im Kofferraum statt.  Dabei treffen die beiden auf alte Bekannte und skurille Unbekannte.

    Frank und Jack werden als klare Gegensätze etabliert. Jack ist der Lebeman, Frank scheint alles sowieso egal zu sein. Dadurch bleibt Franks Charakter etwas blass, da er während den ersten zwei Dritteln nie wirklich aus seiner Lethargie ausbricht. Dies zieht den ersten Teil der Reise trotz guter Dialoge in die Länge. Zumal Rubys Tod von Frank und Jack stets nur als störende Sache und vom Film nur als Handlungsauslöser betrachtet wird.

    Zum Glück bringt Road to the Well aber andere herausragende Dinge mit: starke cinematographische Szenen, die Musik und der letzte Drittel des Films.

    Der Soundtrack von Conor Jones macht in vielen Szenen die schwachen emotionalen Reaktionen der Protagonisten wett. Von Beginn weg kreiert er mit der Musik eine angespannte Stimmung, die klar macht, dass unter der Oberfläche mehr schwellt. Wunderbar ist auch seine Vertonung des Besuchs von alten Bekannten. Rasche Rythmik greift den sorgfältigen sozialen Tanz auf, den die Charaktere in dialogform führen.

    Die Musik läuft auch fliessend mit der starken Cinematographie von Kameraman Tim Davis zusammen. Gerade in Nachtszenen kreieren beide zusammen eine wundebare unbequeme Noir-Stimmung

    Und dann kommt endlich der wirklich gute letzte Teil. Der Film wechselt von Roadtrip zu Kammerspiel und legt schlagartig an Spannung zu. Ohne zu viel zu verraten: Lügen, Bekenntnisse und alte Begierden brechen zwischen den Männern an die Oberfläche und erlauben den Darstellern endlich aus dem Vollen zu schöpfen. Zudem taucht Marshall R. Teague als Dale auf, dessen Präsenz alleine das Geschehen wesentlich bereichert. Die Charaktere umkreisen sich nun sorgfältig, während immer mehr Bekenntnisse auftauchen und die Musik im Hintergrund das Schauspiel passend begleitet. Die lange aufgebaute Katharsis lässt am Ende keinen Charakter ganz ohne Schuld zurück.

    Fazit
    Der Noir-Roadtrip Road to the Well zieht sich trotz genialer Musik und guter Cinematographie in den ersten zwei Dritteln etwas hin,  überrascht aber mit einem grandiosen letzten Kammerspiel-Drittel, dessen Explosion von Lügen und versteckten Absichten zwischen alten Kumpeln sehenswert ist.

    3.5/5 Sterne

    Road to the Well ist momentan nicht direkt in der Schweiz erhältlich, aber auf amazon.com als DVD sowie auf diversen US Video on Demand Portalen.

     

    Road to the Well (2016), Regisseur: Jon Cvack, USA.