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  • 14. ZFF Tag 1: Girl, High Life & The Sisters Brothers

    14. ZFF Tag 1: Girl, High Life & The Sisters Brothers

    Mein erster Tag am 14. Zurich Film Festival (ZFF), der zweite Tag des Festivals. Robert Pattinson auf eine Weltraumstation zugeguckt, mit zwei Westernkleingauner bei der Selbstfindung gelacht und mit einem feinfühlige Portrait einer Transgender-Ballerina abgeschlossen.

    Für den einen oder anderen Film gibt es noch eine lange Review, hier die Übersicht in Kürze:

     

    High Life (2018) – Regie: Claire Denis

     

    Ich wollte den Film mögen, wirklich. Die Geschichte bietet eine Menge Potential. Der Verbrecher Monte (Robert Pattinson) bekommt eine zweite Chance angeboten, wenn er einwilligt als Teil eines Experiments mit anderen Häftlingen auf einem Raumschiff zu leben. Er willigt ein und findet sich bald mit seiner im All geborenen Tochter alleine auf dem Raumschiff wieder. Was dazwischen passiert ist, gibt der Film nur langsam preis, zu langsam. High Life hat einige guten Szenen, aber sie sind leider versteckt in einer Menge Füllmaterial. Themen werden aufgegriffen und ohne Abschluss wieder fallengelassen, Dialoge wirken gestellt, einige Momente werden nur zur Ploterklärung rasch reingedrückt. Alles in allem macht dies High Life leider extrem anstrengend zum Schauen und auch das überhaupt nichts abschliessende Ende macht die Reise nicht wirklich wert, Juliette Binoche als Dr. Dibs ist allerdings grossartig.

     

    The Sisters Brothers (2018) – Regie: Jacques Audiard

     

    Der Western kam zum Glück gleich nach High Life und hat mich schlagartig wieder geweckt. John C. Reilly und Joaquin Phoenix spielen sich als Gauner-Brüder Sisters in jeder Szene perfekt den Ball zu. Für Geld sollen die Brüder den Erfinder Warm (Riz Ahmed) ermoden. Aber während sie ihr Opfer jagen, hadern die Brüder plötzlich nicht nur mit anderen Gaunern, sondern auch mit sich selbst. The Sister Brothers ist ein Anti-Western und glorifziert für einmal keine einsamen Cowboys, die mit Gewalt ihre ruhmreichen Heldentaten vollbringen. Gleichzeitig nimmt Regisseur Jacques Audiard aber das Genre absolut ernst, weswegen es trotzdem ordentlich knallt und der dreckige Western mit Härte durschlägt. Nur der daraus resultierende Verlauf der Geschichte ist – anders. Genauso wie der wunderbar präzise Humor, wer wollte nicht schon immer einem Gauner dabei zu sehen, wie er die Vorzüge dieser neue Erfindung namens „Zahnbürste“ entdeckt.

    Dazu gibts auch ein Review von mir auf Blogbusters.net.

     

    Girl (2018) – Regie: Lukas Dohnt

     


    Lara ist eine 15-jährige mit einem grossen Traum: Sie will Ballerina werden. Sie hat das Talent, die Unterstützung von zu Hause und einen Platz in eine der besten Balletschulen. Lara beginnt aber gleichzeitg auch eine Hormontherapie und eine Operation ist geplant, denn sie ist im Körper eines Jungen geboren. Lara verlangt ihrem Körper im Ballettraining alles ab, hadert zugleich aber mit eben jenem. Regisseur Lukas Dohnt verzichtet auf überflüssige Dramatisierung, stattdessen nimmt er den Zuschauer mit einer feinfühligen Portraitierung in den Kopf von Lara nimmt. Diese wird verkörpert von Viktor Polster, der Laras inneren und äusseren Kampf mit einer unglaublichen Präzision auf die Leinwand bringt. Ein absolut starkers Werk.

    Girl ist ab dem 18.10.2018 in den Schweizer Kinos.

     

    Das Zurich Film Festival läuft vom 27. September bis am 7. Oktober in Zürich. 

  • Rückblick: Zwei Tage 13. Zurich Film Festival, fünf Favoriten

    Rückblick: Zwei Tage 13. Zurich Film Festival, fünf Favoriten

    Nur zwei Tage habe ich es diese Jahr and das 13. Zurich Film Festival geschafft. Dass hat trotzdem für acht Filme gereicht, von denen mich fünf persönlich wirklich begeistert haben. 

     

    1. The Racer and the Jailbird / La Fidéle
    Regie: Michaël R. Roskam


    Das Romantik-Genre ist normalweise nicht so mein Ding, zum Glück hat La Fidèle trotz einer Liebesgeschichte damit so gar nix zu tun. Stattdessen gibt es unglamouröses Gangster-Milieu und eine Rennfahrerin. Gefiel mir so gut, dass ich sogar über die weibliche Aufopferung am Ende hinwegsehen konnte, immerhin stehen sich die beiden aber für den Rest des Filmes gleichwertig gegenüber. Visuell ebenfalls ein Augenschmaus. Im Dezember übrigens in den CH-Kinos.

    Langes Ziprett Review hier.

     

    2. Custody / Jusqu’à la garde
    Regie: Xavier Legrand


    Ging ich eigentlich nur schauen, weil sonst grade nichts anderes lief und ein Kollege hin ging. Hat mich für die Dauer von 93 Minuten in ein tiefschwarzes Loch gesogen und ziemlich fertig wieder ausgespuckt. Die Geschichte über einen Sorgerechtsstreit und gewältigen Vater ist keine leichte Kost, da wirklich gut gemacht. Kamera und Schauspieler fangen die Bedrohung durch den Vater beängstigend gut ein.

     

    3. Kills on Wheels / Tiszta szívvel
    Regie: Atilla Till

    Zoli und Barba sind Teenager mit starker Mobilitätsbeeinträchtigung und leben in einem Heim für begleitetes Wohnen. Ihr Alltag nimmt eine unerwartete Wende als sie von Rupaszov rekrutiert werden, der mit gelähmten Beinen im Rollstuhl Auftragsmorde durchführt. Regisseur Attila Till nimmt diese absurde Ausgangslage und macht eine wunderbar schwarze Coming-of-Age Komödie mit viel Herz draus. Ab und zu zündet der Humor etwas flach (hahaha, er hat ein Fluchwort gesagt, wie lustig), aber zum Grossenteil funktioniert er bestens, besonders die Situationskomik. Dass die beiden Hauptdarsteller nur Laien sind, merkt man ihnen zudem nicht im Geringsten an.

     

    4. Sarah Plays A Werewolf / Sarah joue un loup-garou
    Regie: Katharina Wyss

    Die 17-jährige Sarah hat auf der Schauspielbühne eine unglaubliche Präsenz, im echten Leben ist sie eine introvertierte Teenagerin, die sich in Gedankenwelten flüchtet. Sarah restriktive Familie erstickt sie zunehmend. Die Mutter kann der Tochter keinen Freiraum geben und unterwirft sich dem Vater. Dieser geniesst es eine „halt speziell sensitive“ Tochter zu haben, anstatt Sarahs Leiden zu erkennen. Und macht keinen Hehl daraus, dass er sie nicht nur als Tochter begehrt. Sarahs Versuche ausserhalb ihrer Familie Vertraute zu finden, scheitern an ihrer sozialen Ungeschicktheit. Je lauter Sarahs Hilfeschrei wird, desto mehr isoliert sie sich durch ihre Verhalten von ihrem Umfeld. Genau wie Sarah wechselt der Film zwischen Sarahs Gedankenwelt und der Realität. Mit einfachen Mitteln zeichnet Regisseurin Katharina Wyss das zunehmend eskalierende Innenleben der Teenagerin. Grossartig dabei auch Loane Balthasar als Sarah, die selbst in ruhigen Szenen Sarahs inneren Tumult in jedem Gesichtszug zeigt. Ein tatsächlicher Werwolf findet sich hier nicht, aber eine Menge verdrängter Emotionen, die an die Oberfläche wollen.

     

    5. Brigsby Bear
    Regie: Dave McCary


    Kam zum Glück gleich nach Custody. Die abgedrehte Coming-of-Age Story hat mich leichtfüssig wieder aus meinem Loch geholt. James  wird als Kind entführt und wächst mit seinen „Eltern“ in einem Bunker auf. Sein einziger Kontakt zur Aussenwelt und grosse Leidenschaft ist die Kinder-TV-Show Brigsby Bears Abenteuer. Als er schliesslich befreit wird, realisiert er, dass die Show ebenfalls von seinen Entführer extra für ihn gemacht wurde. Daraufhin beschliesst er kurzerhand einen abschliessenden Brigsby Film selbst zu drehen. Seine Obsession wird zu seinem Hilfsmittel, um sich ihn der für ihn neuen Welt zurechtzufinden. Wunderbar schrullig ohne komplett zu überdrehen.

     

     

    Das 13. Zurich Film Festival war vom 28. September 2017 bis am 8. Oktober 2017 in Zürich.

     

     

     

  • Le Fidèle / The Racer and the Jailbird [Review/ZFF]

    Le Fidèle / The Racer and the Jailbird [Review/ZFF]

    Dass Regisseur Michaël R. Roskam ein Händchen für Gangster-Thrillers hat, bewies er bereits mit seinem letzten grossartigen Film The Drop (2014) bewiesen. In Le Fidèle nutzt er dies als Setting für eine rasante Liebesgeschichte.

    Bibi (Adèle Exarchopoulos) ist eine Autorennfahrerin aus gutem Hause, Gigi (Matthias Schoenaerts) aufgewachsen im Crime-Milieu und Teil einer Gang. Romeo und Juliette könnte man sagen, aber würde damit dem Grossteil des Filmes Unrecht tun. Obwohl Bibi sich nämlich durchaus mit einer naiven Unerfahrenheit auf Gigi einlässt, stellt der Film die beiden ansonsten stehts auf gleiche Ebene. Bibi ist das weibliche Alpha-Gegenstück zu Gigi. Zumal die beiden Darsteller eine unbestreitbare gute Chemie untereinander haben. Bibi ahnt das Gig etwas verbirgt, findet vielleicht aber genau dies neben Bibis charmanter Art ebenso reizvoll wie die Geschwindigkeit in ihrem Auto zu spüren.

    Besagte Fahrszenen sind dabei genauso ein Augenschmaus wie der Rest des Filmes. Roskam hat eine Vorliebe für perfekt abgestimmte erdig-dunkle Farbpaletten, die auch in Le Fidèle wunderbar passen. Daneben spielt er mit Licht und Schatten. Genause wie viele Figuren in Le Fidèle etwas zu verbergen haben, verbirgt Roskam häufig Teile von Gesichter und Geschehnissen im Schatten und spielt mit Kontrasten.

    Als Gigis kriminelle Aktivitäten schliesslich aus dem Schatten tretten, geschieht dies natürlich nicht durch ein Geständnis seinerseits. Ein misslungener Transportüberfall lässt ihn und seine Gang auffliegen. Ein Überfall, der übrigens genauso wenig beschönigt wird wie der Rest des Miliue. Roskam badet nicht im Gangster-Glamour, seine Geschichte liegt näher an der dreckigen Realität.

    Genauso wie die Realität ist dann auch La Fidèle nicht vorhersehbar. Nachdem das Chaos erst einmal an die Oberfläche gebrochen ist, gibt es so schnell nicht mehr Ruhe. Geplante und ungeplante Geschehnisse zerren an Gigi und Bibi.

    Leider kommt damit auch der einzige Wehrmutstropfen im Film: Mit zunehmende Lauf wird Bibi von Gigis Gegenstück zur Märtyrerin und der Film fällt in das alte Muster von der aufopfernde weiblichen Liebe. Immerhin macht Rosman aber auch dann Gigi nicht zur passiv Leidenden, sondern lässt sie selbst aktiv und nicht ohne Spuren von Egoismus in ihr Märtyrertum laufen.

    Fazit

    Eine unvorhersehbare Gangster-Thriller-Liebesgeschichte weitab von Zucker-Glamour und trotzdem ein visueller Augenschmaus. Einer der besten Filme des diesjährigen ZFF.

    4.5/5 Sterne

    Le Fidèle läuft ab dem 21.12.2017 in den Deutschschweizer Kinos und lief am 13. Zurich Film Festival.

     

    Le Fidèle. Reg.: Michaël R. Roskam, Belgien/Niederlanden/Frankreich.

  • Under the Shadow –  feiner psychologischer Horror [Review/ZFF]

    Under the Shadow – feiner psychologischer Horror [Review/ZFF]

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    Theran, 1980er Jahre, mitten im Irak-Iran Krieg. Shideh verbleibt mit ihrer Tochter alleine in der Wohnung, als seltsame Vorkomnisse sich häufen. Under the Shadow setzt wie The Babadook auf reale Ängste, die sich in Übersinnlichem verkörpern.

    Shideh fühlt sich eingeengt. Ihre Vergangenheit als politische Aktivistin hindert sie daran ihr Medizinstudium fortzusetzen und auf die Strasse kann sie nur mit angemessener Kopfbedeckung. Regelmässiger Bombonalarm prägt den Alltag der Familie. Als ihr Mann für den Krieg eingezogen wird, bleibt sie alleine mit ihrer Tochter in der Wohnung zurück.

    Über die Ängste des kleinen Mädchen schleicht sich aber bald eine weitere Präsenz in das Haus ein. Gleichzeitig verlassen immer mehr Nachbarn das Haus, um vor der steigenden Bombendrohung zu fliehen. So kreiert Regisseur Babak Anvari eine zunehmende Isolation von Mutter und Tochter. Zwischen Krieg, Unterdrückung und übersinnlicher Bedrohung zerfällt Shireh zunehmend im verzweifelten Versuch ihre Tochter zu schützen.

    Das eingedrungene Wesen tritt dabei nur selten, dafür absolut wirksam tatsächlich in Erscheinung. Begleitet von Wind und anderen unter die Haut gehenden Geräuschenz, in Gestalt von underbewussten Ängsten. Die lauernde Gefahr hat stets genug Präsenz, um den Zuschauer die Nackenhaare aufzustelle, ist aber zugleich so subtil, dass die generierten Ängste stets real wirken. Sie treibt langsam einen Keil zwischen Mutter und Tochter, weswegen Under the Shadow nicht nur Horrorfilm, sondern stellenweise auch Drama ist. Kein Wunder holte sich der Film am NIFFF die „Narcisse“ für den besten Spielfilm. Ein weltweiter Deal mit Netflix dürfte ihn zudem bald auf das Streamingportal bringen.

    Fazit

    Psychologischer Horror vom feinsten: Regisseur Babak Anvari schafft innerhalb des abgegenzten Mikrokosmos eines  Hauses eine unheimlich paranoide Stimmung mit einem grandiosen Darstellerduo.

    4.5/5 Sterne

    UPDATE: Under the Shadow ist jetzt auch auf Netflix DE.

    Under the Shadow läuft am 30.09.16 um 22:30 noch einmal am Zurich Film Festival.

    Under the Shadow (2016), Regisseur: Babak Anvari, Iran/Jordan/Qatar/UK.