Junge Erwachsene, die in einer dystopischen Welt ausgeklügelte Tests bestehen müssen.“ Klingt nach einem verspäteten Versuch, noch auf der Hunger Games Welle mitzureiten. Zum Glück gelingt Serienschöpfer Aguilera mit 3% aber eine eigenständige Mini-Serie, die ernster daherkommt, als die üblichen amerikanischen Jugend-Dystopie Filmen.

In der nahen Zukunft in Brasilien: Die 20-jährige Michele steht kurz vor dem „Prozess“. Ein Auswahlverfahren, bei dem jedes Jahr alle 20-jährigen die Gelegenheit erhalten zu beweisen, dass sie zu den Auserwählten 3% gehören. Diese dürfen fortan in einer Art besser gestellte Paradies leben und die slumähnliche Stadt verlassen.

Wie diese „Paradies“ genau aussieht und funktioniert gibt die Serie dabei noch nicht preis. Es geht, zumindest in der ersten Staffel, nicht um das Aufeinandertreffen zweier Gesellschaftsschichten. Der Fokus liegt auf einer Gruppe Teilnehmer und dem Prozess. Unterschiedliche Test sorgen dabei für abwechslungsreichen acht Episoden: Von einer fast schon „Herr der Fliegen“ ähnlichen Folge, bis zur Aufarbeitung alter Traumas und simpler Rätsellösung ist ein starker Mix vorhanden.

Wirklich stark wird die Serie durch die diversen Charaktere. 3% beginnt mit klassischen Stereotypen, dreht diese aber bald auf den Kopf und schafft damit interessante Figuren. Rückblicke geben vertiefte Einsicht, nehmen dabei aber nie zu viel Raum ein. Zu den Teilnehmer gehört zum Beispiel neben der unsicher wirkenden Michele: Fernando, der im Rollstuhl sitzende Sohn eines Priesters, Joan, die äusserlich kühle Strassenweise, Marco, dessen Familie den Prozess immer besteht oder Rafael, der erstmal die Rolle das klassischen Arschloch übernimmt.

Zu einer guten Geschichte gehört aber bekanntlich auch ein guter Gegenspieler und João Miguel als Ezequiel hat dies absolut im Griff. Als Leiter des Prozesses hat Ezequiel nicht nur die Test geschaffen, sondern kann sie auch jederzeit nach seinem Willen anpassen. Tatsächlich geht es im Prozess nämlich nicht nur um das Lösen der Aufgaben. Das eigentliche Ziel ist es, die Teilnehmer psychologisch zu brechen, um sie anschliessend für die „ideale“ Gesellschaft zu formen. Wer in der idealen Gesellschaft leben will, hat ganz bestimmten Mustern zu folgen.

Die Teilnehmer müssen ihre eigenen „falschen“ Werte ablegen (oder zumindest überzeugend so tun als ob). Zudem weiss Ezequiel, dass sich unter den diesjährigen Teilnehmer mindestens ein Mitglied der Rebellen versteckt. Dieses gehört gefunden und aussortiert. Statt rasante Action stehen dementsprechend wesentlich subtilere Elemente im Vordergrund. Damit merkt man der Netflix Produktion auch das kleinere Budget nicht an.

Im Nacken sitzen Ezequiel dabei seine eigenen Probleme: Die ehrgeizige Aline versucht an seinen Posten zu gelangen und seine eigene Vergangenheit verbirgt ein für ihn gefährliches Geheimnis.

Heraus sticht 3% aber auch durch seinen brasilianischen Hintergrund. Gerade die Darstellung der schlechter gestellten Bevölkerung weicht vom klassisch europäischen oder amerikanischen Dystopie-Stil ab. Besonders in den Rückblicken in die Vergangenheit der Teilnehmer kommt dies zum tragen.

Starke Bilder mit kräftigen Farben sprechen oft für sich, ohne das viel Worte notwendig sind. Einer der Regisseure ist dann auch der oscarnominierte City of God (2002) Kamermann César Charlone.

Fazit
Weitab von den amerikanischen Jugend-Dystopien schlägt 3% eine ernstere und subtilere Tonart an. Charaktere mit Grauschattierungen, abwechslungsreiche Testaufgaben sowie Intrigen und feines psychologische Drama sorgen für eine eigenständige Thriller-Dystopie-Serie.

5/5 Sterne

 3% ist auf Netflix DE in Originalton mit Untertiteln, sowie in dt. Synchronfassung. Die zweite Staffel wurde bereits angekündigt.

3% (2016), 1. Staffel (8 Folgen), Serienschöpfer: Pedro Aguilera. Brasilien. 

Alter Pilot auf Youtube: Die Serie entstand basierend auf drei zehnminütigen independent Pilot-Folgen, die hier auf Youtube zugänglich sind. Diese Folgen sind NICHT Teil der neuen Serie. Spannend ist vor allem die fast komplette Abwesenheit von Farben in den Pilots, im starken Kontrast zur Netflix Serie.