Dass mir Annihilation als Film sehr gefällt habe ich schon geschrieben, trotzdem blieb ich nach der Sichtung enttäuscht zurück. Regisseur Alex Garlands Film ist eine harmlose, stark vereinfachte Version des Buches von Jeff VanderMeer. Es folgen LEICHTE BUCHSPOILER.

«Film-Area X» ist ein Kinderspaziergang

Gewisse Elemente können natürlich nicht auf die Leinwand übertragen werden, wie etwa VanderMeers Spiele mit der Sprache. Aber Garland beschränkt sich ganz auf den einfachsten Bio-Terror, streicht sowohl den wichtigen mysteriösen Turm, als auch den Hypnose-Subplot gänzlich.

Was ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Buch und Film haben ein langsames Erzähltempo, aber die im Buch von Beginn weg vorhandene psychologisch-düstere Spannung fällt im Film dadurch weg. Stattdessen gibt es zwischen den wenigen grossen Ereignissen oft rein beobachtende Sequenzen.

Garland kommt erst am Ende in etwa bei einem Wahnsinn an, den das Buch schon in den ersten Kapiteln im Dunkeln lauern lässt. Das Fehlen des Turms hinterlässt ein Loch, das in langwierigen Sequenzen spürbar ist. Zumal sie gleich zu Beginn darauf stossen und er anschliessend ein konstantes Mysterium im Hintergrund ist. Ein Mysterium, das das Geschehen im Film harmlos aussehen lässt.

Das Streichen der Hypnose schwächt die Spannung innerhalb des Teams und raubt ein zusätzliches Element der Bedrohung. Im Buch setzt die Psychologin alle Teammitglieder unter Hypnose, damit sie die Grenze zur Area X unbeschadet überqueren können. Die Folgen davon sind weitreichend.

Garland hat am Ende aber nur die „einfachsten“ Bedrohungen für seinen Film übernommen. Kein Wunder, wirkt Portmans Lena gegen Ende des Films noch putzmunter im Vergleich zu ihrem Zustand im Buch.

Er spielt im Buch kaum eine Rolle.

 

Komplexe Wissenschaftlerin «darf» sich ganz auf den Ehemann fokussieren

Lenas Charakter im Allgemeinen hat seine Differenzen zum Buch. Garland lenkt ihre Motivation in konventionelle Bahnen. Neben Neugierde treiben sie vor allem Schuldgefühle gegenüber ihrem Mann in die Area X. Lena will ihn retten, ihre innere Motivation dreht sich um ihren kranken Ehemann. Im Buch stirbt er bereits kurz nach seiner Rückkehr, vor ihrer Expedition. Ihre Hauptmotivation ist wissenschaftliche Neugierde. Ihre Hintergrundgeschichte dreht sich nicht um ihren Ehemann, sondern um ihre wissenschaftliche Karriere, um ihre Wünsche, Bedürfnisse, Eigenschaften. Daneben will sie zwar schon wissen was mit ihm passiert ist, aber dies nimmt den zweiten Rang ein. Lenas komplexe Hintergrundstory wird aber im Film zu: «Sie hat Schuldgefühle, weil Eheprobleme.»

Damit liess mich Annihilation am Ende mit gespaltenen Gefühlen zurück. Als Buchverfilmung mag mir der Film nicht so recht gefallen, als eigenständigen Film hingegen schon. Garlands Vision ist deutlich distanzierter, theoretischer, während VanderMeer noch tiefer gräbt.

Am besten schaut man sich den Film als Buchkenner als alternative Version der Geschichte an und geniesst «Annihilation light» ohne an das Buch zu denken.

Was halten andere Buch-LeserInnen vom Film?

 

Annihilation ist ab dem 12. März 2018 auf Netflix streambar.

Das Buch von Jeff VanderMeer ist überall im Handel erhältlich und der erste Teil der Southern Reach Trilogie.
Zum Beispiel bei Amazon.de auf Deutsch oder in der englischen Originalsprache (Affiliate Links).

(Bilder: Paramount Pictures / Photo Credit: Peter Mountain)