Der brasilianische Designer Butcher Billy hat für jede der Stranger Things 2 Episoden geniale Pulp Taschenbuch Covers gestaltet. Die sehen nicht nur gut aus, sondern greifen auch den Inhalt der jeweiligen Folge geschickt auf.
Die einzelnen Cover in grosser Auflösung plus Stranger Things 2 Episoden als Atari Video Game Cartdriges und mehr Werke von Butcher Bill gibts es auf seiner Behance Artist Seite. Der Künstler hat auch einen Online Shop (die Stranger Things Covers gibt es da aber leider nicht).
Bild: Butcher Billy
(Bilder mit freundlicher Genehmigung von Butcher Billy)
Grave war der “Schockfilm” 2016 am Cannes Film Festival mit Ohnmachtsabfällen im Publikum. Den Film darauf zu beschränken wäre aber falsch. Tatsächlich nutzt Regisseurin Julia Ducournau Schockmomente sehr präzise, um eine tiefe Coming-Of-Age Geschichte zu erzählen.
Justine zieht von zu Hause aus, um alleine auf dem Universitätscampus zu leben. Dort setzt sie die Familientradition fort und studiert Veterinärmedizin, wie bereits ihre ältere Schwester. Zum ersten Mal findet sich Justine damit ausserhalb der elterlichen Regeln und als sie beim Ritual für Neustudierende aufgefordert wird Fleisch zu essen, gibt sie dem Druck trotz ihres vegetarischen Elternhauses nach. Was ziemlich banal klingt, entwickelt sich bald zu einem ernsthaften Problem: Justine entwickelt eine zunehmend unkontrollierbare Lust nach Fleisch, menschlichem Fleisch.
Die Symbolik ist ziemlich eindeutig: Überbehütet aufgewachsene junge Frau testet ihre neue Freiheit aus und schlägt dabei erst recht über die Stränge. Zumal die Eltern nur mit Verboten statt mit Erklärungen gearbeitet haben. Das der erste Auslöser Gruppendruck ist, passt dazu wunderbar.
Justines ältere Schwester hätte zwar die Möglichkeit dem entgegen zu treten, doch statt der jüngeren zu helfen, sucht sie lieber nach einem Partner-in-Crime und stösst Justine genauso ins kalte Wasser. Mit der Betrachtung einer schwierigen Schwestern-Beziehung erinnert mich Grave beinahe ein wenig an den älteren B-Movie Horror-Kultfilm Ginger Snaps (2000), auch wenn die beiden Filme gerade bezüglich Produktion und Kamera keineswegs vergleichbar sind.
Dabei nimmt Regisseurin Ducournau den Zuschauer mit in den Kopf von Justine. Strauchelt sie verloren durch eine Party, schwingt die Kamera mit. Schockmomente werden langsam aufgebaut. Die Bilder unterstützen mit einer präzisen Kälte Justines Verlorenheit. Die Cinematographie ist ebenso deutlich passend aufgebaut wie die Geschichte.
So finden sich in Grave auch gar nicht derart viele brutale Szenen. Ducournau knallt nicht einfach des Schockes wegen möglichst viel Blut in den Film, sie nutzt besagte Szenen stattdessen sehr gezielt, maximiert deren Wirkung.
Dabei vermischt sich Justines ungewöhnliche Lust nach wortwörtlichem Fleisch bald mit der «gewöhnlichen» Lust, ihrer ebenfalls erwachender Sexualität. Und spätestens hier mischt sich eine weitere Zutat in das Spiel: eine ausgezeichnete Portion makabrer Humor. Als ob die eine Luste ohne die andere nicht schon genug kompliziert wäre.
Der Titel Grave ist dann übrigens auch französisch für „schwerwiegend, gravierend“ und nicht das englische Wort für Grab.
Und mittendrin natürlich Garance Marillier als Justine, die sowohl Justines verletzliche Verlorenheit, als auch ihre schlummernde animalische Kraft mit Wucht auf die Leinwand bringt.
Fazit
Grave ist eine herausragende, blutig-makabre Coming-of-Age Story mit unzimperlicher, fesselnder Cinematographie.
5/5 Sterne
Grave läuft aktuell im Riff Raff Kino in Zürich in französischer Originalsprache mit englischen Untertiteln und ist ab dem 26.10.2017 auf DVD/Blu-Ray/digital erhältlich.
Nur zwei Tage habe ich es diese Jahr and das 13. Zurich Film Festival geschafft. Dass hat trotzdem für acht Filme gereicht, von denen mich fünf persönlich wirklich begeistert haben.
1. The Racer and the Jailbird / La Fidéle Regie: Michaël R. Roskam
Das Romantik-Genre ist normalweise nicht so mein Ding, zum Glück hat La Fidèle trotz einer Liebesgeschichte damit so gar nix zu tun. Stattdessen gibt es unglamouröses Gangster-Milieu und eine Rennfahrerin. Gefiel mir so gut, dass ich sogar über die weibliche Aufopferung am Ende hinwegsehen konnte, immerhin stehen sich die beiden aber für den Rest des Filmes gleichwertig gegenüber. Visuell ebenfalls ein Augenschmaus. Im Dezember übrigens in den CH-Kinos.
2. Custody / Jusqu’à la garde Regie: Xavier Legrand
Ging ich eigentlich nur schauen, weil sonst grade nichts anderes lief und ein Kollege hin ging. Hat mich für die Dauer von 93 Minuten in ein tiefschwarzes Loch gesogen und ziemlich fertig wieder ausgespuckt. Die Geschichte über einen Sorgerechtsstreit und gewältigen Vater ist keine leichte Kost, da wirklich gut gemacht. Kamera und Schauspieler fangen die Bedrohung durch den Vater beängstigend gut ein.
3. Kills on Wheels / Tiszta szívvel Regie: Atilla Till
Zoli und Barba sind Teenager mit starker Mobilitätsbeeinträchtigung und leben in einem Heim für begleitetes Wohnen. Ihr Alltag nimmt eine unerwartete Wende als sie von Rupaszov rekrutiert werden, der mit gelähmten Beinen im Rollstuhl Auftragsmorde durchführt. Regisseur Attila Till nimmt diese absurde Ausgangslage und macht eine wunderbar schwarze Coming-of-Age Komödie mit viel Herz draus. Ab und zu zündet der Humor etwas flach (hahaha, er hat ein Fluchwort gesagt, wie lustig), aber zum Grossenteil funktioniert er bestens, besonders die Situationskomik. Dass die beiden Hauptdarsteller nur Laien sind, merkt man ihnen zudem nicht im Geringsten an.
4. Sarah Plays A Werewolf / Sarah joue unloup-garou Regie: Katharina Wyss
Die 17-jährige Sarah hat auf der Schauspielbühne eine unglaubliche Präsenz, im echten Leben ist sie eine introvertierte Teenagerin, die sich in Gedankenwelten flüchtet. Sarah restriktive Familie erstickt sie zunehmend. Die Mutter kann der Tochter keinen Freiraum geben und unterwirft sich dem Vater. Dieser geniesst es eine „halt speziell sensitive“ Tochter zu haben, anstatt Sarahs Leiden zu erkennen. Und macht keinen Hehl daraus, dass er sie nicht nur als Tochter begehrt. Sarahs Versuche ausserhalb ihrer Familie Vertraute zu finden, scheitern an ihrer sozialen Ungeschicktheit. Je lauter Sarahs Hilfeschrei wird, desto mehr isoliert sie sich durch ihre Verhalten von ihrem Umfeld. Genau wie Sarah wechselt der Film zwischen Sarahs Gedankenwelt und der Realität. Mit einfachen Mitteln zeichnet Regisseurin Katharina Wyss das zunehmend eskalierende Innenleben der Teenagerin. Grossartig dabei auch Loane Balthasar als Sarah, die selbst in ruhigen Szenen Sarahs inneren Tumult in jedem Gesichtszug zeigt. Ein tatsächlicher Werwolf findet sich hier nicht, aber eine Menge verdrängter Emotionen, die an die Oberfläche wollen.
5. Brigsby Bear Regie: Dave McCary
Kam zum Glück gleich nach Custody. Die abgedrehte Coming-of-Age Story hat mich leichtfüssig wieder aus meinem Loch geholt. James wird als Kind entführt und wächst mit seinen „Eltern“ in einem Bunker auf. Sein einziger Kontakt zur Aussenwelt und grosse Leidenschaft ist die Kinder-TV-Show Brigsby Bears Abenteuer. Als er schliesslich befreit wird, realisiert er, dass die Show ebenfalls von seinen Entführer extra für ihn gemacht wurde. Daraufhin beschliesst er kurzerhand einen abschliessenden Brigsby Film selbst zu drehen. Seine Obsession wird zu seinem Hilfsmittel, um sich ihn der für ihn neuen Welt zurechtzufinden. Wunderbar schrullig ohne komplett zu überdrehen.
Das 13. Zurich Film Festival war vom 28. September 2017 bis am 8. Oktober 2017 in Zürich.
Dass Regisseur Michaël R. Roskam ein Händchen für Gangster-Thrillers hat, bewies er bereits mit seinem letzten grossartigen Film The Drop (2014) bewiesen. In Le Fidèle nutzt er dies als Setting für eine rasante Liebesgeschichte.
Bibi (Adèle Exarchopoulos) ist eine Autorennfahrerin aus gutem Hause, Gigi (Matthias Schoenaerts) aufgewachsen im Crime-Milieu und Teil einer Gang. Romeo und Juliette könnte man sagen, aber würde damit dem Grossteil des Filmes Unrecht tun. Obwohl Bibi sich nämlich durchaus mit einer naiven Unerfahrenheit auf Gigi einlässt, stellt der Film die beiden ansonsten stehts auf gleiche Ebene. Bibi ist das weibliche Alpha-Gegenstück zu Gigi. Zumal die beiden Darsteller eine unbestreitbare gute Chemie untereinander haben. Bibi ahnt das Gig etwas verbirgt, findet vielleicht aber genau dies neben Bibis charmanter Art ebenso reizvoll wie die Geschwindigkeit in ihrem Auto zu spüren.
Besagte Fahrszenen sind dabei genauso ein Augenschmaus wie der Rest des Filmes. Roskam hat eine Vorliebe für perfekt abgestimmte erdig-dunkle Farbpaletten, die auch in Le Fidèle wunderbar passen. Daneben spielt er mit Licht und Schatten. Genause wie viele Figuren in Le Fidèle etwas zu verbergen haben, verbirgt Roskam häufig Teile von Gesichter und Geschehnissen im Schatten und spielt mit Kontrasten.
Als Gigis kriminelle Aktivitäten schliesslich aus dem Schatten tretten, geschieht dies natürlich nicht durch ein Geständnis seinerseits. Ein misslungener Transportüberfall lässt ihn und seine Gang auffliegen. Ein Überfall, der übrigens genauso wenig beschönigt wird wie der Rest des Miliue. Roskam badet nicht im Gangster-Glamour, seine Geschichte liegt näher an der dreckigen Realität.
Genauso wie die Realität ist dann auch La Fidèle nicht vorhersehbar. Nachdem das Chaos erst einmal an die Oberfläche gebrochen ist, gibt es so schnell nicht mehr Ruhe. Geplante und ungeplante Geschehnisse zerren an Gigi und Bibi.
Leider kommt damit auch der einzige Wehrmutstropfen im Film: Mit zunehmende Lauf wird Bibi von Gigis Gegenstück zur Märtyrerin und der Film fällt in das alte Muster von der aufopfernde weiblichen Liebe. Immerhin macht Rosman aber auch dann Gigi nicht zur passiv Leidenden, sondern lässt sie selbst aktiv und nicht ohne Spuren von Egoismus in ihr Märtyrertum laufen.
Fazit
Eine unvorhersehbare Gangster-Thriller-Liebesgeschichte weitab von Zucker-Glamour und trotzdem ein visueller Augenschmaus. Einer der besten Filme des diesjährigen ZFF.
4.5/5 Sterne
Le Fidèle läuft ab dem 21.12.2017 in den Deutschschweizer Kinos und lief am 13. Zurich Film Festival.
Le Fidèle. Reg.: Michaël R. Roskam, Belgien/Niederlanden/Frankreich.
4 Geschichten, 4 Regisseurinnen, 4 mal Horror. Die Film-Anthologie XX gibt vier Regisseurinnen Raum, um ihre Horrorkurzfilme zu präsentieren. Das Resultat sind ganz unterschiedliche Geschichten, die alle ihre eigene Stärke aufweisen.
Die Kurzfilme sind nicht thematisch verknüpft, stattdessen sorgen morbid-absurde Animationssequenzen von Sofia Carillo für Übergänge. Zwei der Regisseurinnen präsentieren Erstlingswerke während Karyn Kusama und Roxanne Benjamin bereit mehr Erfahrung mitbringen.
Über Kusamas letzten Film The Invitation (2015) habe ich ja bereits ein schwärmerisches Review verfasst, ihr Kurzfilm „Her Only Living Son“ ist dann auch deutlich der Höhepunkt der Anthologie. Eine Mutter macht sich Sorgen, um das zunehmende seltsame Verhalten ihres bald volljährigen Sohnes. Eine Art „was-wäre-wenn“ Fortsetzung zu Rosmarys Baby, ein Dilemma über die Grenzen oder Nicht-Grenzen von Mutterliebe. Von unheimlich geht der dieser Horror somit ziemlich rasch ins tief Persönliche, perfekt getragen von Christina Kirk und Kyle Allen als Mutter bzw. Sohn.
Roxanne Benjamin hat bisher vor allem Kurzfilme gedreht und ein Segment zur Horror-Anthologie Southbound (2015) beigesteuert. Sie bleibt mit „Don’t Fall“ in klassischen Horror-Gefilden. Eine Gruppe Teenager campiert in der freien Wildnis, in der Nähe eines ursprünglich heiligen Ortes. Ziemlich rasch merken sie dann natürlich, weswegen ihnen davon abgeraten wurde. „Don’t Fall“ ist gradlinig, die Umsetzung aber gelungen grauenerregend. Starke Maske, unheimliche Kameraführung mit einprägenden Bildern und gelungen Jumpscares heben die Erzählung heraus.
Die restlichen beiden Kurzfilme sind nicht ganz auf demselben Niveau, bringen aber ihre eignen Spezialitäten. „The Birthday Party“ ist von Regisseurin Annie Clark, auch bekannt als Musikern „St. Vincent“. Eine Mutter plant die perfekte Geburtstagsparty für ihr Kind, als eine Leiche im Haus auftaucht. Panisch versucht sie den ungeplanten Vorfall zur verbergen, während neugierige Nachbarn an der Türe klingen und sorgt damit für zunehmende Eskalation. Mehr schwarze Komödie als Horror, stich der Film vor allem durch Clarks Auge für Farben heraus. Hinter perfekten kräftigen Farbpaletten und Symmetrien schlummert der Vorstadt-Horror. Der Humor will nicht immer ganz zünden, das Finale ist aber ein wunderbares Abbild von überbordenden Panik, die nur verschlimmbessert.
Damit fehlt noch der Einstiegsfilm „The Box“ von Jovanka Vuckovic. Mutter und Sohn begegnen währen eine Person einem Fremden, der dem Sohn den Inhalt einer mysteriösen Box zeigt. Zurück zu Hause weigert sich der Junge zu Essen. Mit Horror muss die Mutter mitverfolgen, wie ihr Sohn sich zunehmend zu Tode hungert und plötzlich beginnt sich auch der Rest der Familie von ihr zu entfernen. Basierend auf Jack Ketchums The Box, verweigert auch Vuckovic eine endgültige Aufklärung und fokussiert auf die Verzweiflung und Isolation der Mutter. Solide umgesetzt, bleibt der Kurzfilm dabei aber etwas kühl.
Fazit
Mit „Her Only Living Son“ und „Don’t Fall” stechen ein psychologischer Genre-Twist und eine klassische Monster-Erzählung heraus, aber auch die schwarze Horror-Komödie „The Birthday Party“ und das Horror-Drama „The Box“ bringen genug um XX als Gesamtes sehenswert zu machen, wenn man mal etwas andere Erzählungen sucht.
3.5/5 Sterne
XX(2017) ist erhältlich auf NetflixDE, Blu-Ray und DVD.
Die CineCouch Leute organisieren wieder den #Horrorctober und wie letztes Jahr bin ich wieder dabei. Folgende 13 Horror-Filme werde ich mir im Oktober ansehen oder je nach dem eher antun:
Im Kino:
IT (2017) – ja, den Neuen, nein, ich habe den noch nicht gesehen
Wollte ich schon lange endlich mal nachholen:
Antichrist (2009)
Raw (2016)
Ginger Snaps (2000)
A Dark Song (2016)
Train to Busan (2015)
Auf Netflix:
The Bad Batch (2017)
Little Evil (2017)
Scouts Guide to The Zombie Apocalypse (2015)
XX (2017)
The Night of the Living Dead (1990)
Soll gut sein:
The Wailing (2016)
Evolution (2015)
Die letzten beiden Filme sind Empfehlungen aus dem Internet, keine Ahnung was mich da erwartet. Den Rest wollte ich alle sowieso irgendwann mal sehen, jetzt habe ich noch einen passenden Grund dazu.
Der erste Teaser Trailer zur Verfilmung von Annihilation ist da. Die Sci-Fi Geschichte um ein Team von Wissenschaftlerinnen, die eine seltsam veränderte Zone auf der Erde untersuchen, verspricht abgedrehten Mystery Sci-Fi.
Ich habe das Buch damals im Laden vor allem gekauft, weil ich auf der Suche nach mehr Sci-Fi mit weiblichen Hauptfiguren (und ohne Romanzen-Hauptplot) war und Annhilation versprach mir gleich eine ganzes Team von Wissenschaftlerinnen. Bekommen habe ich aber noch viel mehr. Eine Geschichte, die von Beginn weg viel Mysterium verspricht und trotzdem die Unheimlichkeit zunehmend immer mehr steigert. In der das Wichtigte, nur kurz im Augenwinkel sichtbar wird. Und in der sich die Hauptfiguren bald ziemlich verloren in einer Umgebung mit fremden Regeln wiederfindet, während auch die Spannung in der Gruppe steigt.
Ob der Film da mithalten kann, bin ich ziemlich gespannt. Immerhin nutzt Autor Jeff VanderMeer, die Sprache in seinem Buch ziemlich geschickt, um zusätzlich zu verwirren. Der Trailer scheint schon mal gute Schauspieler zu versprechen. Die Visuals wirken auf mich stellenweise etwas zu „flashig“, aber es ist ja nur ein Trailer. Und Regisseur Alex Garland hat mit Ex Machina (2014) durchaus schon bewiesen, dass er anspruchsvoller Sci-Fi Filme auf die Leinwand bringen kann.
Das Found Footage Horror Genre ist schon ziemlich flachgetreten, doch den Regisseuren von The Dark Tapes gelingt es Frische hineinzubringen. Mit vier Geschichten, einer Rahmenstory und einem Genre-Mix von Horror, Mystery und Sci-Fi überraschen Michael McQuown und Vincent J. Guastini trotz kleinem Budget.
Der Einstieg verlangt etwas Geduld. Zwei Kollegen finden von ihrem verschwundenem Freund Dr. Martin Callahan nur noch ein paar seltsame wissenschaftliche Geräte und Videokassetten vor. Als sie die Kassetten abspielen, entdecken sie, dass Martin die Existenz von realen Dämonen während der sogenannten Schlafstarre beweisen wollen. Die erste Story „How to Catch a Demon“ beginnt und es folgt erstmal ein Haufen Theorie-Gerede von Martin. Glücklicherweise setzt dieses aber die Basis für ein ausgezeichnetes „Show-don’t-Tell“ Horror-Segment, dass für aufgestellte Nackenhaare sorgt.
Dabei wird „How to Catch a Demon“ mehrmals von den anderen drei Anthologie-Geschichten unterbrochen. Alle starten als altbekannte Musters: „The Hunter & The Hunted“ ist ein Haunted House im Stil von Paranormal Activity. „Cam Girls“ ist eine Camgirl-Sitzung, die bald unheimliche Züge annimmt und „Amanda‘s Revenge“ erzählt von Amanda, die ihre Vergewaltigung offenbar mit einer Alien-Geschichte zu verdrängen scheint.
Nur „Cam Girls“ ist am Ende aber wirklich genau das, was es scheint und damit auch der schwächste Part des Film. Es gibt durchaus solide inszeniertes Blut, Lesbengeknutsche und unheimliches Bildgeflimmer, das Ganze bleibt am Ende aber vergesslich.
Die anderen beiden Segmente überraschen aber mit ungewöhnlichen Ansätzen. Über „The Hunters & The Hunted“ will ich deswegen gar nicht zu viel sagen. Der Horror-Part funktioniert bestens und dann wird alles noch besser. „Amanda’s Revenge“ zieht seine Stärke aus der ungewöhnlichen Erzählweise. Aus der Perspektive eines Freundes von Amanda erzählt, der versucht ihr zu helfen, hat die Geschichte einen ungewöhnlichen Verlauf.
Alle haben gemeinsam, dass Atmosphäre klar vor Schockeffekten kommt. In allen wird die Spannung zunehmend aufgebaut, um mit einem kräftigen Finale zu enden. Viel wird der Fantasie des Zuschauers überlassen, klassische Horror-Muster genutzt, um die Vorstellung im Kopf in die gewollte Richtung zu lenken. In den wenigen Momenten in denen das Übersinnliche doch sichtbar wird, ist das kleine Budget sichtbar (gemäss IMDB gerade mal geschätzte 65‘000 US-Dollars). Doch statt computergenierten Effekte setzten die Regisseure dann auf gelungene Masken und schummriges Licht, was dem Film zuträglich ist. Gar nichts auszusetzen gibt es an den Darstellern, die alle ihre Rollen füllen. Selbst dann, wenn es mal wieder etwas weniger Sinn macht, dass da jetzt noch mit der Kamera gefilmt wird.
Fazit Wer Horror-Anthologien mag, kann The Dark Tapes ruhig einen Blick gönnen. Trotz einem vergessbaren Segment, überzeugen die drei anderen Geschichten mit subtiler Atmosphäre, überraschende Wendungen oder ungewöhnlichen Erzählstrukturen.
3.5/5 Sterne
The Dark Tapes ist weltweit in englischer Sprache erhältlich zum Kauf und Miete in digitaler Form auf Vimeo.
The Dark Tapes (2017), Reg.: Vincent J. Guastini, Michael McQuown, USA.
Regisseure Benson und Moorhead sind bereits mit der Horror-Romanze Spring positiv aufgefallen. Mit The Endless wagen sie sich nun in düsteres Territorium mit einem atomsphärischen, lovecraftschen Horror-Thriller über eine Sekte im Wald.
“Lovecraftisch” wird gerne benutzt um jeden Horror zu beschreiben, der etwas atmosphärischer ist, The Endless verdient diesen Titel aber ohne Zweifel. Von der ersten Szene an kreieren die Regisseure Justin Benson und Aaron Moorhead eine Stimmung voller Unbehaglichkeit. Die Brüder Justin und Aaron, ebenfalls gespielt von Benson und Moorhead, sind ehemaligen Mitglieder einer UFO-Sekte. In ihrem neuen Leben haben sie sich mehr schlecht als recht eingerichtet. Als sie eine mysteriöse Abschiedsbotschaft von der Sekte erhalten, beschliessen die Beiden für ein paar Tage zu ihren Wurzen zurückzukehren. Auf was sie dort wirklich treffen, sind sie aber überhaupt nicht vorbereitet.
Die Rückkehr erfolgt für den jüngeren Aaron mit nostalgischen Gefühle für das einfachere Sekten-Leben, während Justin nur wiederwillig mitkommt. Die beiden Brüder nehmen damit die Gesellschaft im abgelegenen Wald aus unterschiedliche Perspektiven wahr. Dementsprechend ist es Justin, dem bald auffällt, dass im scheinbar friedliche Naturgebiet etwas nicht stimmt. Es sind subtile Details, die ihn, genauso wie den Filmzuschauer, irritieren und auf etwas Grösseres hinweisen.
Während die Sektenmitglieder friedlich ihre Lieder singen, hat der düstere Wald etwas von Beginn weg bedrohliches an sich. In Braun-Grün-Grau-Tönen gehalten herrscht eine ungewisse Enge, etwas scheint stets zu lauern. Dadurch bauen A und B eine vielversprechende Atmosphäre auf. Dass Grauen herrscht im Detail, es entsteht aus der Situation.
Was The Endless wirklich herausstechend lässt ist aber, dass a und B nicht nur mit Inszenierung etwas tolles versprechen, sondern dies auch liefern. Was sich hinter der Gemeinschaft verbirgt, ist ein kein blosses ausgelatschtes Horror-Klischee. Stattdessen ein bedrückender, verrücktmachender Entwurf verschiedener Realitäten. Dieser sind nicht nur bedrohlich für die beiden Brüder, sondern konfrontieren sie auch auf ganz persönlicher Ebene mit ihrer Beziehung untereinander. Wenn sie eine Chance haben wollen, müssen die Beiden sich auch mit sich selbst befassen.
Fazit The Endless ist ein subtiles, poetisches Horror-Thriller Meisterwerk mit einer lovecraftschen bedrückende Atmosphäre. Dessen Geschichte unbekannte raffinierte Pfade betritt und dabei geschickt das Grauen auch auf das Innere der beiden Protagonisten zurückspiegelt.
5/5 Sterne
Fun Fact aus dem Q&A am NIFFF
Obwohl schon alle bisherigen Filme von Benson und Morrhead einen deutliche lovecraftschen Vibe haben, hatten sie lange kein einzige Geschichte von Lovecraft gelesen. Erst als die ersten Kritiker ihre Filme als „lovecraftisch“ bezeichneten, beschlossen die beiden einmal ein paar Text zu lesen von dem Typ mit dem sie immer verglichen werden.
LEICHTER SPOLIER: The Endless ist leicht verknüpft mit dem Erstling der Regisseure, Resolution (2012), aber keine direkte Fortsetzung.
The Endless(2017), Reg.: Justin Benson & Aaron Moorhead, USA.
Man stecke eine Gruppe verschiedener Fremder in eine Bar, fügte eine unbekannte Bedrohung dazu und wartet wie lange es dauert, bis sie sich gegenseitig verdächtigen. Als die Gäste einer spanischen Bar merken, dass ein Scharfschütze alle erschiesst, die das Gebäude verlassen, dauert es nicht sehr lange bis zu den ersten Anschuldigungen.
Erster Verdächtiger: Der Hipster mit Bart und grosser Ledertasche. Einige Gäste haben sofort ihr Terroristen-Feindbild gefunden. Versuche ihn zu verteidigen enden in der Anschuldigen der nächsten Person. Dazu stiftet der mit Bibel-Zitaten um sich schmeissende Obdachlose sein eigenes Chaos. Präzise Dialoge sorgen für eine beklemmende Stimmung und Schlagabtäusche, die trotzdem auch eine gute Portion Humor tragen. Im Hintergrund untermalt die Musik das schwellende Chaos. Mal leise und dezent, mal im markanten Cresendo.
Da die Mehrheit der Gäste sich nicht oder kaum kennt, entstehen Konflikte über Steorotypen in den Köpfen, Angst vor Unbekannten und einer Entladung von Klassenkonflikten. Die Bar wird zu einem kleinen Abbild der Gesellschaft. Zusammengedrängt können die Bargäste sich gegenseitig nicht ausweichen. Ein Gefühl, das mit der Kamera unter anderem durch viele Close-Ups verstärkt wird.
Als die Ursache für die Todesfälle schliesslich gefunden wird, bessert sich die Lage keineswegs. Jeder versucht nun irgendwie zu leben. Bündnisse werden eingegangen und wieder verraten. Vom dialogfokus weicht Regisseur Iglesias nun etwas ab, während das Tempo des Films zunimmt. Die zu Beginn vorhandene Unterschwelligkeit weicht direktem Konflikt. Einige aufgeworfenen Konzepte gehen dabei etwas verloren. Noch immer geht es aber im Kern darum, wem man in einer Extremsituation über den Weg trauen kann. Wem man hilft und wem man in den Rücken schiesst, wenn man Ende selbst heil davonkommen will. Ob es überhaupt möglich ist, dass Gewissen rein zu halten, wann man nicht verdrückt werden will. Aufatmen geht erst am Ende wieder. Fazit
El Bar ist schwarze Komödie und ein Film voller Beklemmung zugleich. Wird vom Spiel mit Dialogen zunehmend zu einem intensiven Strudel in die Abgründe der Menschlichkeit, während jeder für sich versucht zu überleben.
4.5/5 Sterne
El Bar hat am NIFFF 2017 den Silver Méliès für den besten EU Feature Film gewonnen.
UPDATE: El Bar ist auf Netflix DE verfügbar.
El Bar (2017), Reg.: Álex de la Iglesias, Spanien.