Autor: Nicoletta

  • 14. ZFF Tag 2 & 3: Colette, Dead Pigs, In Fabric & Richard Says Goodbye

    14. ZFF Tag 2 & 3: Colette, Dead Pigs, In Fabric & Richard Says Goodbye

    An meinen zweiten und dritten Zurich Film Festival Tag gab es ein Kostümdrama über eine französische Schriftstellerin, eine chinesisch Komödie über eine Schweineseuche, ein Killer-Kleid in rot und Robert Redford in seiner letzten Rolle als Gentleman-Gangster.

     

    Colette (2018), Regie: Wash Westmoreland

    Selbst als Liebhaberin von Kostümdramas muss ich eingestehen, dass sie oft zu schwerfälligem Drama tendieren. Colette ist überhaupt nicht so. Der Film über die berühmte französische Schriftstellerin begleitet seine dramatischen Momente mit einer humorvollen Leichtfüssigkeit. Daneben gelingt es Regisseur meisterhaft Colettes Eheman nicht einfach als absolutes Monster zu zeichnen, sondern herauszuarbeiten wie er sie subtil manipuliert. So, dass es nachvollziehbar wird wie Colette ihn so lange toleriert, obwohl er nicht nur ihr schriftstellerisches Talent für seinen Profit ausnutzt.

     

     

    Dead Pigs (2018), Regie: Cathy Yan

    Ein Bauer kämpft mit einer plötzlich auftauchend Seuche, die auch seine Schweine tötet, obwohl er erst gerade ein grosses Darlehen aufgenommen hat. Eine Frau weigert sich das Elternhaus zu verkaufen, obwohl eine Immobilienfirm dort endlich ihr grosses Bauprojekt starten will. Und ein junges Paar aus total unterschiedlichen sozialen Schichten verliebt sich. Dead Pigs enthält eine Menge kleiner Geschichten, die sich erst langsam verweben. Wie sich die Leben, der einzelnen Person beeinflussen ist dabei durchaus clever gemacht und der Film hat eine guten Portion Humor. Am Ende wird aber keine der Geschichte wirklich ausgearbeitet, weswegen Dead Pigs durchaus nett, aber auch nicht herausstechend ist.

     

     

    In Fabric (2018), Regie: Peter Strickland

    Horrorfilme spielen gerne mit religiöser Symbolik, genauso auch In Fabrik, nur dass die Religion der Konsum in einem Kaufhaus ist. Ein verfluchtes Kleid macht die Runden und terrorisiert seine Träger, während im Kaufhaus seltsame Rituale stattfinden und das Personal mit kryptischen Worten spricht. Regisseur klammert sich nicht in Realismus, stattdessen kreiert er im Stil alter italienischer Horrorfilme beklemmende Bilder voller Farbsymbolik und Erotik. Im guten Gegensatz dazu stehen die sehr menschlichen Käufer / zukünftigen Opfer des Kleides. In Fabric mag nicht ganz schlüssig enden, aber die Reise bis zum Ende habe ich definitiv genossen. Wer Filme im Suspiria Stil mag: unbedingt ansehen.

     

    The Old Man & The Gun (2018), Regie: The Old Man & The Gun

    Robert Redford spielt einen alten Gangster, der Banken überfüllt, dabei aber charmant wie ein Gentleman bleibt. Basierend auf einer wahren Geschichte über den Ausbruchskünstler und Bankräuber Tucker, fokussiert mehr auf Tuckers Leidenschaft fürs Gangster-Leben, denn auf die genauen Geschehnisse. Daraus entstanden ist ein humorvoller, charmanter Film ohne die Intensität eines Gangster-Thrillers. Nett anzuschauen und Redford ist grossartig, aber für meinen persönlichen Geschmack etwas brav.

    Eine ausführliche Review von mir gibt es auf Blogbusters.net.

     

    Das Zurich Film Festival läuft vom 27. September bis am 7. Oktober 2018 in Zürich.

  • 14. ZFF Tag 1: Girl, High Life & The Sisters Brothers

    14. ZFF Tag 1: Girl, High Life & The Sisters Brothers

    Mein erster Tag am 14. Zurich Film Festival (ZFF), der zweite Tag des Festivals. Robert Pattinson auf eine Weltraumstation zugeguckt, mit zwei Westernkleingauner bei der Selbstfindung gelacht und mit einem feinfühlige Portrait einer Transgender-Ballerina abgeschlossen.

    Für den einen oder anderen Film gibt es noch eine lange Review, hier die Übersicht in Kürze:

     

    High Life (2018) – Regie: Claire Denis

     

    Ich wollte den Film mögen, wirklich. Die Geschichte bietet eine Menge Potential. Der Verbrecher Monte (Robert Pattinson) bekommt eine zweite Chance angeboten, wenn er einwilligt als Teil eines Experiments mit anderen Häftlingen auf einem Raumschiff zu leben. Er willigt ein und findet sich bald mit seiner im All geborenen Tochter alleine auf dem Raumschiff wieder. Was dazwischen passiert ist, gibt der Film nur langsam preis, zu langsam. High Life hat einige guten Szenen, aber sie sind leider versteckt in einer Menge Füllmaterial. Themen werden aufgegriffen und ohne Abschluss wieder fallengelassen, Dialoge wirken gestellt, einige Momente werden nur zur Ploterklärung rasch reingedrückt. Alles in allem macht dies High Life leider extrem anstrengend zum Schauen und auch das überhaupt nichts abschliessende Ende macht die Reise nicht wirklich wert, Juliette Binoche als Dr. Dibs ist allerdings grossartig.

     

    The Sisters Brothers (2018) – Regie: Jacques Audiard

     

    Der Western kam zum Glück gleich nach High Life und hat mich schlagartig wieder geweckt. John C. Reilly und Joaquin Phoenix spielen sich als Gauner-Brüder Sisters in jeder Szene perfekt den Ball zu. Für Geld sollen die Brüder den Erfinder Warm (Riz Ahmed) ermoden. Aber während sie ihr Opfer jagen, hadern die Brüder plötzlich nicht nur mit anderen Gaunern, sondern auch mit sich selbst. The Sister Brothers ist ein Anti-Western und glorifziert für einmal keine einsamen Cowboys, die mit Gewalt ihre ruhmreichen Heldentaten vollbringen. Gleichzeitig nimmt Regisseur Jacques Audiard aber das Genre absolut ernst, weswegen es trotzdem ordentlich knallt und der dreckige Western mit Härte durschlägt. Nur der daraus resultierende Verlauf der Geschichte ist – anders. Genauso wie der wunderbar präzise Humor, wer wollte nicht schon immer einem Gauner dabei zu sehen, wie er die Vorzüge dieser neue Erfindung namens „Zahnbürste“ entdeckt.

    Dazu gibts auch ein Review von mir auf Blogbusters.net.

     

    Girl (2018) – Regie: Lukas Dohnt

     


    Lara ist eine 15-jährige mit einem grossen Traum: Sie will Ballerina werden. Sie hat das Talent, die Unterstützung von zu Hause und einen Platz in eine der besten Balletschulen. Lara beginnt aber gleichzeitg auch eine Hormontherapie und eine Operation ist geplant, denn sie ist im Körper eines Jungen geboren. Lara verlangt ihrem Körper im Ballettraining alles ab, hadert zugleich aber mit eben jenem. Regisseur Lukas Dohnt verzichtet auf überflüssige Dramatisierung, stattdessen nimmt er den Zuschauer mit einer feinfühligen Portraitierung in den Kopf von Lara nimmt. Diese wird verkörpert von Viktor Polster, der Laras inneren und äusseren Kampf mit einer unglaublichen Präzision auf die Leinwand bringt. Ein absolut starkers Werk.

    Girl ist ab dem 18.10.2018 in den Schweizer Kinos.

     

    Das Zurich Film Festival läuft vom 27. September bis am 7. Oktober in Zürich. 

  • Piercing (2018) – fantastischer, selbstironischer Thriller [Review/NIFFF]

    Piercing (2018) – fantastischer, selbstironischer Thriller [Review/NIFFF]

    Man hat Agressionsprobleme und entscheidet sich zur „Beruhigung“ eine Prostituierte in einem Hotel umzubringen. So weit, so klassisch. Reeds (Christopher Abott) minuitöser Plan zersetzt sich aber ins Nichts, als die Prostituierte Jackie (Mia Wasikowska) in seinem Zimmer auftaucht. Diese hat nämlich ihre eigenen speziellen Vorstellungen.

    Es folgt ein raffiniertes Machtspiel um die Oberhand im Geschehen, körperlich, aber noch viel mehr psychologisch. Es entsteht in dieser Nacht eine Beziehung zwischen den Beiden, in der die Rollen Opfer und Täter konstant wechseln. In der Konsent scheinbar ausgehandelt und dann wieder gebrochen wird.

    Die Kamera spiegelt dabei erst Reeds Sicht, beginnt aber irgendwann ebenso Seiten zu wechseln. Reed erhält zwar mehr Hintergrund als Jackie, aber was ihren Machttanz angeht, sind die beiden sicht absolut ebenbürtig. Dies nicht zuletzt, weil Mia Wasikowska als Jackie eine absolute Wucht ist. In ihrer Jackie ist nichts von der unschuldigen Naivität von Mias letzten Rollen (Alice in Wonderland, Crimson Peak)zu finden. Jackie steht mit Reed auf einer Augenhöhe, ohne eine blosse Kopie von ihm zu sein.

    Dabei scheut Regissuer nie davor zurück die Komik der Situatin zu nutzten, ganz im Gegenteil: Piercing ist ein zutiefst selbstironischer Film. Zugleich Hommage und Persiflage von Giallo Filmen und American Psycho – Style. Während die beiden Darsteller ihre Rollen grandios ernsthaft spielen, arbeiten Szenerie, Schnitt und Kamera die Absurdität des Geschehens heraus.

    Es ist dieser Humor der Piercing von einem sehr guten Thriller, zu einem fantastischen schwarzhumorigen Erlebnis macht.

    Fazit
    Piercing ist eine fantastischer selbstironsicher Thriller, der mit seinem Kammer-Machtspiel zwischen zwei ebenbürtigen Gegnern sowohl eine Giallo-Persiflage, als auch liebevolle Hommage ist.

    5/5 Sterne

    Piercing lief am Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) 2018.

    Piercing (2018), Regie: Nicolas Pesce, USA.

    Summar

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  • When The Trees Fall (2018) – [Review/NIFFF]

    When The Trees Fall (2018) – [Review/NIFFF]

    When The Trees Fall (2018)

    Teenagerin Larysa sehnt sich nach einem anderen Leben, als das in der Provinz der Ukraine. Sie schmiedet mit ihrem Freund Scar Pläne dem Kleinstadtleben zu entflüchten. Doch Scar ist ein Roma, Familie und Nachbarn verurteilen die Beziehung. Mutter und Grossmutter versuchen Larysa in „geordnet“ traditionelle Bahnen zu bringen.

    Genauso wie auch Larysa Grossmuster einstmals ihre Liebe zu einem Roma aufgab, um eine traditionelle Familie zu gründen. Die ältere Generation hat sich dem Leben nach Normen und Regeln gefügt, der Nachwuchs hat nun gefälligst zu folgen. Larysas fünfjährige Cousine Vitka darf noch unbeschwert ihrer Vorstellungskraft fröhnen, aber die Teenager sollen die vorgegeben Pfade nehmen. Pfade, die in einer Stadt von dieser Grösse ziemlich klein sind.

    Diese Gefühl von Eingeengtheit, die Sehnsucht nach einer andere Lebensweise, fängt Regisseurin Marysia Nikitiuk in ruhigen, ausdrucksstarten Szenen ein. Meist verlässt sie sich dabei auf wenige Worte, kleine Gesten Ausdruck ihrer Darstellerinnen, selten schimmert Vitkas Vorstellungskraft als Gegenstück zur engen Realität durch.

    Die Erzählung kommt mehrheitlich ohne grosse Ereignisse aus. Larysa will weg, sie schafft es aber nicht selbst ein Feuer zu entfachen und Scar ist bald mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Beide kämpfen mit den Einschränkungen ihrer Herkunft, die ihnen kaum abweichende Wege offen lässt.

    When The Trees Fall ist keine wilde Rebellionsgeschichte, sondern die Beobachtung einer sich langsam schliessenden Schlinge. Dabei nimmt sich der Film manchmal zu viel Zeit in der Beobachtung zu schwelgen, macht diese aber mit anderen emotionalen und wünderschön gefilmten Szenen wieder wett.

    Fazit
    When The Trees Fall kommt nicht mit einem packend traditionellen Erzählrahmen daher, Regisseurin Nikitiuk kreirt aber gerade durch die ruhigen Erzählweise Szenen voller Ausruckskraft, die in bezaubernd gefilmten Bildern daherkommen.

    3.5/5 Sterne

    When The Trees Fall läuft nochmal am Neuchâtel International Fantastic Film Festival am 13.07.2018 um 17:15.

    When The Trees Fall / Koly padayut dereva (2018), Regie: Marysia Nikitiuk, Ukraine/Polen/Republik von Mazedonien.

  • Zombies, run! 5K App – ein Einsteiger-Lauftraining mit Story [Tipp]

    Zombies, run! 5K App – ein Einsteiger-Lauftraining mit Story [Tipp]

    Du hast Mühe dich zum Laufen zu motivieren? Vielleicht helfen ein paar Zombies, die dir hinterherjagen. Die App „Zombies, run! 5k“ (Android/iOS, englisch) kombiniert ein Hörspiel mit einem Lauf-Trainingsplan für Einsteiger. 

    Bei mir hat die App jedenfalls so gut geholfen, dass ich dieses Wochenende meinen ersten 5km Lauf geschafft habe (auch wenn meine Füsse und Beine, das grade eine etwas doofe Idee finden).

    Die Story

    „Zombies, run! 5k“ ist das Einstiegsprogramm zur App Zombies, run!. Als «Runner 5» trainiert man, um einen vollwertigen Läufer für die Siedlung «Abel» zu werden. Im Ohr dabei die Ärztin Dr. Myers und der Radiohost Sam, sowie diverse andere Einwohner und Nicht-Einwohner von Abel. Es gibt Läufe ausserhalb Abels mit Zombies auf den Fersen und einfache Trainingsläufe in der Siedlung. Bei letzteren erfährt man mehr über die Charaktere. Die Zombies sind nämlich wie so oft nicht das einzige Problem.

    Der tatsächliche Anteil an Plot ist in „Zombies, run! 5k“ noch eher gering, trotzdem macht die Sache dank den guten SprecherInnen Spass. Nicht zuletzt auch dank einer guten Portion Humor. Die Läufe dauern je etwa 40 – 50min, die Story ist aufgeteilt in einzelnen kurze Sequenzen. Dazwischen kann man eigene Musik hören, die für die Story jeweils pausiert wird. Dies geht sogar mit Streaming-Apps wie Spotify oder Google Music.

    Das 5k Training

    Pro Woche gibt es drei Läufe, das Ziel ist der 5km Lauf am Ende. Das achtwöchige Trainingsprogram baut auf Intervallläufen auf, das heisst einer Mischung aus Rennen und Laufen.  Die erste Woche sieht etwas so aus:

    Screenshot Zombies, run! 5k App

    Die Trainingsanweisungen sind dabei in die Geschichte eingebunden. Die sogenannten «free-form runs» kann man laufen oder rennen, je nach dem wieviel Kondition man schon hat. Ich war in den ersten Wochen ganz froh um die Option, bis ich meine ersten Free-Form Runs komplett durchlaufen konnte.

    Nur die Distanzmessung der App will nicht so ganz. Ich habe parallel ein paar andere Lauf-Apps getestet und „Zombies, run! 5k“ hat mir regelmässig einen guten Kilometer mehr geschenkt. Wer dies also ganz genau wissen will, kombiniert die Zombies am besten mit einer zweiten App.

    So habe ich meinen finalen 5k-Lauf zusätzlich mit Strava gemessen und seitdem tatsächlich auch schon meine nächste Laufrunde gedreht. Mittlerweile macht mir die Sache nämlich ob mit oder ohne Zombies Spass.

    Die ersten paar Trainingstage sind gratis zum Testen, anschliessend lässt sich der Rest mit einer einmaligen Zahlung freischalten (ca. 4 CHF/EURO).

    Zombies, run! 5K wurde entwickelt von Six to Start und Naomi Alderman.

    (Quelle Titelbild: Six to Start)

     

  • The Ritual [Review] – solider Wald-Horror

    The Ritual [Review] – solider Wald-Horror

    The Ritual erfindet das Rad nicht neu. Eine Gruppe Männer entschliesst sich zu Ehren ihres verstorbenen Freundes auf eine Wandertour zu gehen. Einer verhaut sich dabei den Knöchel, woraufhin ein anderer die «schlaue» Idee hat eine Abkürzung durch den Wald zu nehmen.

    Dies kommst natürlich nicht sonderlich gut, bald stösst die Truppe auf seltsame Runen und Holzfiguren. Bedrohliche Träume suchen die Freunde heim und zwischen den Bäumen bewegt sich etwas, Grosses.

    Sehenswert ist The Ritual dank der guten Inszenierung aber trotzdem. Regisseur David Bruckner baut mit Bild und Ton eine bedrohliche Stimmung auf, die sich langsam steigert. Todesfälle passieren Off-Kamera, die anschliessend auftauchende Überreste reichen aber mehr als aus.

    Für einmal verhält sich die Truppe ausserdem weder unlogisch übermutig, noch strohdumm. Hauptprotagonist Luke wird mit einem weiteren inneren Albtraum konfrontiert: Schuldgefühle für den Tod seines Freundes haben ihn nie losgelassen und greifen nun im dunklen Wald noch intensiver zu. Die restliche Truppe bleibt eher blass, aber ganz unterschiedliche Reaktionen auf das Geschehen sorgen für Spannung unter den Freunden. Anschuldigungen untereinander mixen sich mit den unheimlichen Omen des Waldes.

    Der Höhepunkt ist ganz klar das Monster. Während es für den grössten Teil des Films aus dem Dunkeln heraus zuschlägt, tritt es für das Finale ins Licht. Und das Kreaturendesign ist absolut grossartig. Das hilft, über das ansonsten nicht sehr raffinierte Finale hinaus.

    Fazit
    The Ritual ist ein übliches» Truppe verirrt sich im Horror» – Szenario à la Blair Witch (1999), aber absolut solide inszeniert und mit einer fantastisch gestalteten Kreatur als Höhepunkt.

    3.5/5 Sterne

    The Ritual ist auf Netflix streambar.

    The Ritual (2018), Regie: David Bruckner, UK.

     

    (Titelbild: Netflix/Vlad Cioplea)

  • I Am Not A Witch [Review] – satirischer Aberglaube

    I Am Not A Witch [Review] – satirischer Aberglaube

     

    I Am Not A Witch (2018)

    Die 8-jährige Shula wird in Zambia beschuldigt eine Hexe zu sein und in ein «Hexendorf» verbannt.  Zusammen mit anderen «Hexen» soll sie dort für die Regierung auf Feldern oder als Touristenattraktion arbeiten. Damit die «Hexen» nicht wegfliegen können, wird ihnen ein weisses Band am Rücken befestigt. Nehmen sie diese wieder aber droht ihnen gemäss lokalem Glaube die Verwandlung in eine Ziege.

    Die Hexencamps gibt es wirklich, Regisseurin Rungano Nyonis begab sich für Recherchen in eines in Ghana. Shulas Geschichte ist fiktiv. Nyonis erzählt sie als dunkelhumorige Satire mit surrealistischem Touch. I Am Not A Witch ist keine Analyse und kein Moralstück. Nyonis kreiert Szenen, die für sich selbst sprechen und den gefährlichen Mix aus Patriarchat und Aberglauben präzise vorführen. Dabei bleibst sie sehr distanziert von ihren Figuren, was den Film nicht sofort zugänglich macht.

    Dafür gibt es Maggie Mulubwa, die Shula spielt. Obwohl das Mädchen nur wenig spricht, reicht Mulubwa Ausstrahlung um Shulas Geschichte kraftvoll zu erzählen. Shula, die Zugehörigkeit sucht und diese zuerst sogar bei den älteren «Hexen» findet. Bis der leitende Regierungsbeamte sie sogar da heraus reisst, um mit der jungen «Hexe» noch mehr Profit zu schlagen. Moderne und alter Aberglauben treffen hart aufeinander, wenn Shula als «Kinderhexe» im Talkstudio gleich nach der Rapperin auftritt.

    Mulubwa trägt die Tragik von Shulas Geschichte, die sich präzise mit dem gelungen satirischen Humor verwebt.  Mit einer kräftigen Bildsprache fängt Kamermann David Gallego die Absurdität des Geschehen gnadenlos ein und erzeugt zum Beispiel mit den weissen Bändern der «Hexen» fast schon surreale Bilder. Dazu Musik von Vivaldi und Nyonis schafft Satire die zugleich eine visuell beindruckende Schwere hat. Da lässt sich auch das unschlüssig Ende verzeihen.

    Fazit
    I Am Not A Witch bietet keinen leichten Zugang, aber Regisseurin Nyonis erzählt mit harter Satire und surrealen Bildern eine tragische Geschichte um Aberglaube und Patriarchat mit eine ausdruckstarken Mulubwa in der Hautprolle. Ein herausstechendes Werk, hinter dessen distanzierten Fassade das fühlbare Unrecht brodelt.

    3.5/5 Sterne

    I Am Not A Witch läuft ab dem 10. Mai 2018 in den Schweizer Kinos.

    I Am Not A Witch (2017), Regie: Rungano Nyoni, UK/Frankreich/Deutschland.

    (Titelbild: Out of the Box)

  • Altered Carbon [Review] – Cyberpunk Neo-Noir

    Altered Carbon [Review] – Cyberpunk Neo-Noir

    Altered Carbon 1. Staffel

    Was wäre, wenn Unsterblichkeit käuflich ist?

    Gute Zeiten für Cyberpunk Liebehaber: Nach Blade Runner2044 im Kino, bringt Netflix eine sehenswerte Cyperpunk-Serie. Altered Carbon ist eine Verfilmung des gleichnamigen Buchs von Richard K. Morgan.

    Das Jahr 2348: Fortschrittliche Technik erlaubt das Bewusstsein von Menschen in neue Körper zu übertragen. Unsterblichkeit ist erreichbar, zumindest wenn man dafür zahlen kann. Oder wenn jemand anderes dafür zahlt, wie bei Takeshi Kovacs (Joel Kinnaman), der nach dem Gefängnis in einer neuen Hülle aufwacht. Er soll im Gegenzug einen Mord aufklären, den seines grosszügigen Gönners selbst.

    Visuell läuft Altered Carbon ganz in den Spuren von Blade Runner. Und auch wenn die Serie nicht ganz an das Meisterwerk rankommt, ist sie durchaus ein neonfarbener Augenschmaus. Lediglich die Rückblenden auf einem anderen Plant stechen als nicht ganz so geschliffen heraus, aber sie halten sich in Grenzen.

    Immerhin helfen diese aber, dem ansonsten ziemlich verschlossenen Takeshi mehr Ecken und Kanten zu geben. Kinnaman spielt ihn als klassisch stoisch verbitterten Anti-Helden ohne grosse Emotionen.

    Zum Glück ist Takeshi umringt von einer durchaus diversen Cast. Etwa die fast schon zweite Hauptfigur der Serie: die entschlossenen Polizistin Kristin Ortega, gespielt von Martha Higareda. Oder Renée Elise Goldsberry als Takeshis ehemalige Anführerin, die in Rückblenden und wenig weiteren Szenen auftaucht.  Takeshi im „alten“ Körper wird etwas facettenreicher gespielt von Will Yun Lee. Für Humor sorgt Chris Conner als Hotelleiter-AI Poe, ohne dabei zum nervigen Comedy-Sidekick zu verkommen.

    Altered Carbon 1. Staffel
    Chris Conner als Hotelier A.I. Poe (jawohl, nach dem Autor benannt)

     

    Und Poes Auflockerungen tun dem ansonsten sehr düsteren Cyberpunk-Szenario gut. Überhaupt sind es viele dieser kleineren Nebengeschichten, die Altered Carbon vom Durchschnitt abheben und die Welt lebendig wirken lassen. Die Auslgeichen, dass die Hauptstory ansonsten manchmal davor scheut ihre Thematik wirklich auszuloten.

    So stösst Takeshi bald in die Abgründe der Grossstadt vor, unter anderem Extremformen von Prostituion. Und die Serienmacher nutzen die Thematik zwar gerne als Ausschmückung, aber setzten sich am Ende doch nicht wirklich damit auseinander. Eine darin verwickelt wichtige Figur etwa, wird anschliessend nie moralisch dafür verurteilt.

    Dabei ist die Detektiv-Story durchaus nicht simpel, verschiedene Fadenzieher im Hintergrund sorgen für ein komplexes Flechtwerk, das nicht sofort durchschaubar ist. Was käufliche Unsterblichkeit mit einer Mehrklassengesellschaft anrichten kann, wird solide thematisiert, ebenso wie damit zusammenhängenden Aspekte von Religion. Dabei hebt Altered Carbon aber nie in ganz philosophischen Sphären ab. Nachdenklich machenden Elemente sind geschickt eingewoben in die Neo-Noir Detektiv Story mit nicht nur visuell herausstechenden Actionsequenzen.

    Fazit
    Altered Carbon ist eine Noe-Noir-Detektiv-Story mit Cyberpunk-Flair, harter Action und dubiosen Fädenziehern. Seine holprigen Storyelemente und über-stoischen Helden fängt die Serie durch vielfältige Nebenfiguren wieder ab.

    3.5/5 Sterne

    Altered Carbon ist auf Netflix streambar.

    Altered Carbon, 1. Staffel (2018), USA.

     

    (Titelbild: Katie Yu/Netflix)

     

  • Fusion Arena – Escape-Room in der virtuellen Realität

    Fusion Arena – Escape-Room in der virtuellen Realität

    Virtual Reality Center (VR) sind der neuste Trend. Neben den „gewöhnlichen“ VR-Games bieten diese eine weitere Steigerung: Virtual Reality Missionen, in denen man sich tatsächlich frei in einem Raum bewegen kann. Ich war in der Fusion Arena in Zürich, um dies mal zu testen.

    Zum Einstieg durften wir erst ein paar simple Games testen. Erstaunlich wie schnell sich der Kröper austricksen lässt, wenn die VR-Brille einem vorgaukelt, dass man in schwindelerregender Höhe über ein Brett laufen soll. Meine Beine beginnen zu zittern, obwohl mein Verstand mir laut kundbar machte, dass ich auf festem Boden laufe.

    Mit noch mehr Höhenangst sieht dass dann wohl etwa so aus:
    (nein, das bin nicht ich, ich bin ganz tapfer aufrecht marschiert)

     

    60 Minuten normale VR-Games sind in der Fusion Arena beim Eintritt für eine Mission inklusive, 30 davon vor der Mission, um sich an die Technik zu gewöhnen. Da gibts es zum Beispiel Fruit Ninja, bei dem die zwei Handkontroller in der virtuellen Reality zu Schwertern werden. Das Workout kommt also ebenfalls gleich inklusive. Weitere Möglichkeiten sind etwa Shooters, Bogenschiessen, ein Flugsimulator oder das raffinierte FPS-Game Super Hot.

     

    Das Abenteuer geht los

    VR-Rucksäcke sind bereit

     

    Endlich durften wir auf unsere Mission. Neben der VR-Brille gibts es dabei eine ganze Ausstattung: Handschuhe, Fussaufsatz und Rucksack. Alles damit das System die Bewegung im Raum messen kann. Läuft man in der Realität in einem dunklen Raum herum, gaukelt einem die VR-Ausstattung vor, dass man gerade Katakomben erforscht. Weitere Effekte wie echter Wind und Hitze vertiefen das Erlebnis.

    Dazu kommen real existierende Gegenstände, die ermöglichen, dass man in der virtuelle Realität wirklich mit Dinge agieren kann. Eine schwarzer Stecken wird etwa durch die VR-Brille zur Fackel. Die Rätsel sind relativ simpel, aber das Erlebnis trotzdem beindruckend. Hoffentlich wird es in Zukunft noch komplexere Szenarien zu erleben geben. Das ganze Erlebnis ist übrigens auch für Rollstuhlfahrer zugänglich.

     

    Hochwertige Technik

    Das Fusion Center setzt dabei bei allen VR-Brillen auf hochwertige Produkte, wie etwa die Occulus Rift. Diese bieten einen deutlich höhere Qualität als jene Brillen, bei denen ein Smartphone als Bildschirm zum Einsatz kommt, wie etwa Goolge Cardboard. Das Risiko auf Übelkeitsgefühle ist daher wesentlich kleiner, wir hatten bei unserem Besuch keinerlei Probleme.

    Neben der Abenteuer-Mission ist in der Fusion Arena, ab dem 1. April auch noch eine Shooter-Mission geplant.

    Weitere Informationen zur Fusion Arena auf ihrer Webseite.

     

    Ebenfalls zum Thema Virtual Reality: Die besten Virtual Reality-Filme für Google Cardboard, Samsung Gear VR

    (Titelbild: Screenshot Webseite Fusion Arena)

  • Thelma [Review] – hypnotische, übersinnliche Coming-of-Age-Story

    Thelma [Review] – hypnotische, übersinnliche Coming-of-Age-Story

    Thelma (2018)

    Weibliche Coming-of-Age Geschichten verbunden mit Übersinnlichem sind nichts Neues. Regisseur Joachim Trier kreiert mit Thelma aber ein ganz eigenes Werk.

    Als Erstes wäre da die Stimmung. Im Gegensatz zu anderen Werken, wie etwa dem stets agressiv brodelnden Raw (2016), kreiert Trier von den ersten Sekunden an eine stille, einsame Atmosphäre, mit Horror der langsam die Härchen auf den Armen aufstellt.

    Vater und junge Tochter im Wald. Er scheinbar auf der Jagd mit Flinte, sie unschuldig strahlend. Die Tochter dreht sich ab, der Vater schwenkt die Flinte auf ihren Hinterkopf. Schnitt.

    Thelma ist älter, zieht alleine fürs Studium in eine andere Stadt. Die Eltern zwar offensichtlich streng katholisch, aber freundlich. Nur die allabendlichen Telefonate mit der Mutter wirken kontrollierend. Thelma scheint sich dies aber alles gewohnt, fügt sich nahtlos. Bis sie ihre Mitstudentin Anja kennen lernt. Bald trinkt Thelma nicht nur ihre ersten Gläser Alkohol, sondern zwischen ihr und Anja entwickelt sich mehr als Freundschaft. Was die tiefkatholische Thelma nicht nur mit sich selbst in Konflikt bringt.

    Ein Konflikt, der sich sehr real auf der Leinwand zeigt, als Thelma von einer epilepsie-artige Attacke durchgeschüttelt wird. Die erste von vielen, mit immer stärker werden Folgen für Thelmas Umfeld. Diese fängt Trier in ebenso poetisch wie beängstigenden Bilder ein, genauso wie den Rest des Films. Überhaupt setzt er oft auf aussagekräftige, kühle Bilder statt grosse Dialoge.

    Thelma beginnt aus dem elterlich-christlichen Schema auszubrechen, der Film behält jedoch seine Ruhe. Thelma ist scheu und in sich gekehrt. Sie schüttelt diese Eigenschaften nicht plötzlich ab, um sich in schockierend Exzesses zu stürzen. Eine Zurückhaltung, die nur gegen Ende etwas an Kraft vermissen lässt. Dafür wirken auch die Szenen zwischen Thelma und Anja nie als ob man der Sensation wegen von aussen zuschauen würde, obwohl sie zugleich voller Erotik sind.

    Thelmas Realität und Gedanken beginnen sich zu vermischen, manchmal gar im wortwörtlichen Sinn. Unterbewusstes aus der Vergangenheit tritt zu Tage. Die simpel wirkende Geschichte gewinnt an Komplexität. Thelma muss sich mit sich selbst, ihrer Familie, ihrer Vergangenheit und ihren Kräften auseinandersetzen. In ähnlichen Geschichten wie Carrie enden die übersinnlichen Kräfte oft rein destruktiv, aber Thelma ergibt sich nicht einfach dem Sog der Geschehnisse. Und Hauptdarstellerin Eili Harboe trägt dabei alle Emotion der ruhigen Thelma in voller Ausstrahlung auf ihrem Gesicht.

    Fazit
    Thelma ist nicht nur in wunderschönen kühlen Bilder gefilmt, sondern zieht einem auch mit seiner Geschichte und einer grandiose Eili Harboe als Thelma in einen hypnotischen Sog. Ein überaus faszinierender, zugleich ruhiger und kühl-beängstigender, übersinnlicher Coming-of-Age Film.

    4/5 Sterne

    Thelma läuft ab dem 22. März 2018 in den Schweizer Kinos.

    Thelma (2018), Regie: Joachim Trier, Norwegen/Frankreich/Dänemark/Schweden.

     

    (Titelbild: Outside the Box/Motlys AS)