Kategorie: Filme

  • 14. ZFF Tag 1: Girl, High Life & The Sisters Brothers

    14. ZFF Tag 1: Girl, High Life & The Sisters Brothers

    Mein erster Tag am 14. Zurich Film Festival (ZFF), der zweite Tag des Festivals. Robert Pattinson auf eine Weltraumstation zugeguckt, mit zwei Westernkleingauner bei der Selbstfindung gelacht und mit einem feinfühlige Portrait einer Transgender-Ballerina abgeschlossen.

    Für den einen oder anderen Film gibt es noch eine lange Review, hier die Übersicht in Kürze:

     

    High Life (2018) – Regie: Claire Denis

     

    Ich wollte den Film mögen, wirklich. Die Geschichte bietet eine Menge Potential. Der Verbrecher Monte (Robert Pattinson) bekommt eine zweite Chance angeboten, wenn er einwilligt als Teil eines Experiments mit anderen Häftlingen auf einem Raumschiff zu leben. Er willigt ein und findet sich bald mit seiner im All geborenen Tochter alleine auf dem Raumschiff wieder. Was dazwischen passiert ist, gibt der Film nur langsam preis, zu langsam. High Life hat einige guten Szenen, aber sie sind leider versteckt in einer Menge Füllmaterial. Themen werden aufgegriffen und ohne Abschluss wieder fallengelassen, Dialoge wirken gestellt, einige Momente werden nur zur Ploterklärung rasch reingedrückt. Alles in allem macht dies High Life leider extrem anstrengend zum Schauen und auch das überhaupt nichts abschliessende Ende macht die Reise nicht wirklich wert, Juliette Binoche als Dr. Dibs ist allerdings grossartig.

     

    The Sisters Brothers (2018) – Regie: Jacques Audiard

     

    Der Western kam zum Glück gleich nach High Life und hat mich schlagartig wieder geweckt. John C. Reilly und Joaquin Phoenix spielen sich als Gauner-Brüder Sisters in jeder Szene perfekt den Ball zu. Für Geld sollen die Brüder den Erfinder Warm (Riz Ahmed) ermoden. Aber während sie ihr Opfer jagen, hadern die Brüder plötzlich nicht nur mit anderen Gaunern, sondern auch mit sich selbst. The Sister Brothers ist ein Anti-Western und glorifziert für einmal keine einsamen Cowboys, die mit Gewalt ihre ruhmreichen Heldentaten vollbringen. Gleichzeitig nimmt Regisseur Jacques Audiard aber das Genre absolut ernst, weswegen es trotzdem ordentlich knallt und der dreckige Western mit Härte durschlägt. Nur der daraus resultierende Verlauf der Geschichte ist – anders. Genauso wie der wunderbar präzise Humor, wer wollte nicht schon immer einem Gauner dabei zu sehen, wie er die Vorzüge dieser neue Erfindung namens „Zahnbürste“ entdeckt.

    Dazu gibts auch ein Review von mir auf Blogbusters.net.

     

    Girl (2018) – Regie: Lukas Dohnt

     


    Lara ist eine 15-jährige mit einem grossen Traum: Sie will Ballerina werden. Sie hat das Talent, die Unterstützung von zu Hause und einen Platz in eine der besten Balletschulen. Lara beginnt aber gleichzeitg auch eine Hormontherapie und eine Operation ist geplant, denn sie ist im Körper eines Jungen geboren. Lara verlangt ihrem Körper im Ballettraining alles ab, hadert zugleich aber mit eben jenem. Regisseur Lukas Dohnt verzichtet auf überflüssige Dramatisierung, stattdessen nimmt er den Zuschauer mit einer feinfühligen Portraitierung in den Kopf von Lara nimmt. Diese wird verkörpert von Viktor Polster, der Laras inneren und äusseren Kampf mit einer unglaublichen Präzision auf die Leinwand bringt. Ein absolut starkers Werk.

    Girl ist ab dem 18.10.2018 in den Schweizer Kinos.

     

    Das Zurich Film Festival läuft vom 27. September bis am 7. Oktober in Zürich. 

  • Piercing (2018) – fantastischer, selbstironischer Thriller [Review/NIFFF]

    Piercing (2018) – fantastischer, selbstironischer Thriller [Review/NIFFF]

    Man hat Agressionsprobleme und entscheidet sich zur „Beruhigung“ eine Prostituierte in einem Hotel umzubringen. So weit, so klassisch. Reeds (Christopher Abott) minuitöser Plan zersetzt sich aber ins Nichts, als die Prostituierte Jackie (Mia Wasikowska) in seinem Zimmer auftaucht. Diese hat nämlich ihre eigenen speziellen Vorstellungen.

    Es folgt ein raffiniertes Machtspiel um die Oberhand im Geschehen, körperlich, aber noch viel mehr psychologisch. Es entsteht in dieser Nacht eine Beziehung zwischen den Beiden, in der die Rollen Opfer und Täter konstant wechseln. In der Konsent scheinbar ausgehandelt und dann wieder gebrochen wird.

    Die Kamera spiegelt dabei erst Reeds Sicht, beginnt aber irgendwann ebenso Seiten zu wechseln. Reed erhält zwar mehr Hintergrund als Jackie, aber was ihren Machttanz angeht, sind die beiden sicht absolut ebenbürtig. Dies nicht zuletzt, weil Mia Wasikowska als Jackie eine absolute Wucht ist. In ihrer Jackie ist nichts von der unschuldigen Naivität von Mias letzten Rollen (Alice in Wonderland, Crimson Peak)zu finden. Jackie steht mit Reed auf einer Augenhöhe, ohne eine blosse Kopie von ihm zu sein.

    Dabei scheut Regissuer nie davor zurück die Komik der Situatin zu nutzten, ganz im Gegenteil: Piercing ist ein zutiefst selbstironischer Film. Zugleich Hommage und Persiflage von Giallo Filmen und American Psycho – Style. Während die beiden Darsteller ihre Rollen grandios ernsthaft spielen, arbeiten Szenerie, Schnitt und Kamera die Absurdität des Geschehens heraus.

    Es ist dieser Humor der Piercing von einem sehr guten Thriller, zu einem fantastischen schwarzhumorigen Erlebnis macht.

    Fazit
    Piercing ist eine fantastischer selbstironsicher Thriller, der mit seinem Kammer-Machtspiel zwischen zwei ebenbürtigen Gegnern sowohl eine Giallo-Persiflage, als auch liebevolle Hommage ist.

    5/5 Sterne

    Piercing lief am Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) 2018.

    Piercing (2018), Regie: Nicolas Pesce, USA.

    Summar

    0
  • When The Trees Fall (2018) – [Review/NIFFF]

    When The Trees Fall (2018) – [Review/NIFFF]

    When The Trees Fall (2018)

    Teenagerin Larysa sehnt sich nach einem anderen Leben, als das in der Provinz der Ukraine. Sie schmiedet mit ihrem Freund Scar Pläne dem Kleinstadtleben zu entflüchten. Doch Scar ist ein Roma, Familie und Nachbarn verurteilen die Beziehung. Mutter und Grossmutter versuchen Larysa in „geordnet“ traditionelle Bahnen zu bringen.

    Genauso wie auch Larysa Grossmuster einstmals ihre Liebe zu einem Roma aufgab, um eine traditionelle Familie zu gründen. Die ältere Generation hat sich dem Leben nach Normen und Regeln gefügt, der Nachwuchs hat nun gefälligst zu folgen. Larysas fünfjährige Cousine Vitka darf noch unbeschwert ihrer Vorstellungskraft fröhnen, aber die Teenager sollen die vorgegeben Pfade nehmen. Pfade, die in einer Stadt von dieser Grösse ziemlich klein sind.

    Diese Gefühl von Eingeengtheit, die Sehnsucht nach einer andere Lebensweise, fängt Regisseurin Marysia Nikitiuk in ruhigen, ausdrucksstarten Szenen ein. Meist verlässt sie sich dabei auf wenige Worte, kleine Gesten Ausdruck ihrer Darstellerinnen, selten schimmert Vitkas Vorstellungskraft als Gegenstück zur engen Realität durch.

    Die Erzählung kommt mehrheitlich ohne grosse Ereignisse aus. Larysa will weg, sie schafft es aber nicht selbst ein Feuer zu entfachen und Scar ist bald mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Beide kämpfen mit den Einschränkungen ihrer Herkunft, die ihnen kaum abweichende Wege offen lässt.

    When The Trees Fall ist keine wilde Rebellionsgeschichte, sondern die Beobachtung einer sich langsam schliessenden Schlinge. Dabei nimmt sich der Film manchmal zu viel Zeit in der Beobachtung zu schwelgen, macht diese aber mit anderen emotionalen und wünderschön gefilmten Szenen wieder wett.

    Fazit
    When The Trees Fall kommt nicht mit einem packend traditionellen Erzählrahmen daher, Regisseurin Nikitiuk kreirt aber gerade durch die ruhigen Erzählweise Szenen voller Ausruckskraft, die in bezaubernd gefilmten Bildern daherkommen.

    3.5/5 Sterne

    When The Trees Fall läuft nochmal am Neuchâtel International Fantastic Film Festival am 13.07.2018 um 17:15.

    When The Trees Fall / Koly padayut dereva (2018), Regie: Marysia Nikitiuk, Ukraine/Polen/Republik von Mazedonien.

  • The Ritual [Review] – solider Wald-Horror

    The Ritual [Review] – solider Wald-Horror

    The Ritual erfindet das Rad nicht neu. Eine Gruppe Männer entschliesst sich zu Ehren ihres verstorbenen Freundes auf eine Wandertour zu gehen. Einer verhaut sich dabei den Knöchel, woraufhin ein anderer die «schlaue» Idee hat eine Abkürzung durch den Wald zu nehmen.

    Dies kommst natürlich nicht sonderlich gut, bald stösst die Truppe auf seltsame Runen und Holzfiguren. Bedrohliche Träume suchen die Freunde heim und zwischen den Bäumen bewegt sich etwas, Grosses.

    Sehenswert ist The Ritual dank der guten Inszenierung aber trotzdem. Regisseur David Bruckner baut mit Bild und Ton eine bedrohliche Stimmung auf, die sich langsam steigert. Todesfälle passieren Off-Kamera, die anschliessend auftauchende Überreste reichen aber mehr als aus.

    Für einmal verhält sich die Truppe ausserdem weder unlogisch übermutig, noch strohdumm. Hauptprotagonist Luke wird mit einem weiteren inneren Albtraum konfrontiert: Schuldgefühle für den Tod seines Freundes haben ihn nie losgelassen und greifen nun im dunklen Wald noch intensiver zu. Die restliche Truppe bleibt eher blass, aber ganz unterschiedliche Reaktionen auf das Geschehen sorgen für Spannung unter den Freunden. Anschuldigungen untereinander mixen sich mit den unheimlichen Omen des Waldes.

    Der Höhepunkt ist ganz klar das Monster. Während es für den grössten Teil des Films aus dem Dunkeln heraus zuschlägt, tritt es für das Finale ins Licht. Und das Kreaturendesign ist absolut grossartig. Das hilft, über das ansonsten nicht sehr raffinierte Finale hinaus.

    Fazit
    The Ritual ist ein übliches» Truppe verirrt sich im Horror» – Szenario à la Blair Witch (1999), aber absolut solide inszeniert und mit einer fantastisch gestalteten Kreatur als Höhepunkt.

    3.5/5 Sterne

    The Ritual ist auf Netflix streambar.

    The Ritual (2018), Regie: David Bruckner, UK.

     

    (Titelbild: Netflix/Vlad Cioplea)

  • I Am Not A Witch [Review] – satirischer Aberglaube

    I Am Not A Witch [Review] – satirischer Aberglaube

     

    I Am Not A Witch (2018)

    Die 8-jährige Shula wird in Zambia beschuldigt eine Hexe zu sein und in ein «Hexendorf» verbannt.  Zusammen mit anderen «Hexen» soll sie dort für die Regierung auf Feldern oder als Touristenattraktion arbeiten. Damit die «Hexen» nicht wegfliegen können, wird ihnen ein weisses Band am Rücken befestigt. Nehmen sie diese wieder aber droht ihnen gemäss lokalem Glaube die Verwandlung in eine Ziege.

    Die Hexencamps gibt es wirklich, Regisseurin Rungano Nyonis begab sich für Recherchen in eines in Ghana. Shulas Geschichte ist fiktiv. Nyonis erzählt sie als dunkelhumorige Satire mit surrealistischem Touch. I Am Not A Witch ist keine Analyse und kein Moralstück. Nyonis kreiert Szenen, die für sich selbst sprechen und den gefährlichen Mix aus Patriarchat und Aberglauben präzise vorführen. Dabei bleibst sie sehr distanziert von ihren Figuren, was den Film nicht sofort zugänglich macht.

    Dafür gibt es Maggie Mulubwa, die Shula spielt. Obwohl das Mädchen nur wenig spricht, reicht Mulubwa Ausstrahlung um Shulas Geschichte kraftvoll zu erzählen. Shula, die Zugehörigkeit sucht und diese zuerst sogar bei den älteren «Hexen» findet. Bis der leitende Regierungsbeamte sie sogar da heraus reisst, um mit der jungen «Hexe» noch mehr Profit zu schlagen. Moderne und alter Aberglauben treffen hart aufeinander, wenn Shula als «Kinderhexe» im Talkstudio gleich nach der Rapperin auftritt.

    Mulubwa trägt die Tragik von Shulas Geschichte, die sich präzise mit dem gelungen satirischen Humor verwebt.  Mit einer kräftigen Bildsprache fängt Kamermann David Gallego die Absurdität des Geschehen gnadenlos ein und erzeugt zum Beispiel mit den weissen Bändern der «Hexen» fast schon surreale Bilder. Dazu Musik von Vivaldi und Nyonis schafft Satire die zugleich eine visuell beindruckende Schwere hat. Da lässt sich auch das unschlüssig Ende verzeihen.

    Fazit
    I Am Not A Witch bietet keinen leichten Zugang, aber Regisseurin Nyonis erzählt mit harter Satire und surrealen Bildern eine tragische Geschichte um Aberglaube und Patriarchat mit eine ausdruckstarken Mulubwa in der Hautprolle. Ein herausstechendes Werk, hinter dessen distanzierten Fassade das fühlbare Unrecht brodelt.

    3.5/5 Sterne

    I Am Not A Witch läuft ab dem 10. Mai 2018 in den Schweizer Kinos.

    I Am Not A Witch (2017), Regie: Rungano Nyoni, UK/Frankreich/Deutschland.

    (Titelbild: Out of the Box)

  • Thelma [Review] – hypnotische, übersinnliche Coming-of-Age-Story

    Thelma [Review] – hypnotische, übersinnliche Coming-of-Age-Story

    Thelma (2018)

    Weibliche Coming-of-Age Geschichten verbunden mit Übersinnlichem sind nichts Neues. Regisseur Joachim Trier kreiert mit Thelma aber ein ganz eigenes Werk.

    Als Erstes wäre da die Stimmung. Im Gegensatz zu anderen Werken, wie etwa dem stets agressiv brodelnden Raw (2016), kreiert Trier von den ersten Sekunden an eine stille, einsame Atmosphäre, mit Horror der langsam die Härchen auf den Armen aufstellt.

    Vater und junge Tochter im Wald. Er scheinbar auf der Jagd mit Flinte, sie unschuldig strahlend. Die Tochter dreht sich ab, der Vater schwenkt die Flinte auf ihren Hinterkopf. Schnitt.

    Thelma ist älter, zieht alleine fürs Studium in eine andere Stadt. Die Eltern zwar offensichtlich streng katholisch, aber freundlich. Nur die allabendlichen Telefonate mit der Mutter wirken kontrollierend. Thelma scheint sich dies aber alles gewohnt, fügt sich nahtlos. Bis sie ihre Mitstudentin Anja kennen lernt. Bald trinkt Thelma nicht nur ihre ersten Gläser Alkohol, sondern zwischen ihr und Anja entwickelt sich mehr als Freundschaft. Was die tiefkatholische Thelma nicht nur mit sich selbst in Konflikt bringt.

    Ein Konflikt, der sich sehr real auf der Leinwand zeigt, als Thelma von einer epilepsie-artige Attacke durchgeschüttelt wird. Die erste von vielen, mit immer stärker werden Folgen für Thelmas Umfeld. Diese fängt Trier in ebenso poetisch wie beängstigenden Bilder ein, genauso wie den Rest des Films. Überhaupt setzt er oft auf aussagekräftige, kühle Bilder statt grosse Dialoge.

    Thelma beginnt aus dem elterlich-christlichen Schema auszubrechen, der Film behält jedoch seine Ruhe. Thelma ist scheu und in sich gekehrt. Sie schüttelt diese Eigenschaften nicht plötzlich ab, um sich in schockierend Exzesses zu stürzen. Eine Zurückhaltung, die nur gegen Ende etwas an Kraft vermissen lässt. Dafür wirken auch die Szenen zwischen Thelma und Anja nie als ob man der Sensation wegen von aussen zuschauen würde, obwohl sie zugleich voller Erotik sind.

    Thelmas Realität und Gedanken beginnen sich zu vermischen, manchmal gar im wortwörtlichen Sinn. Unterbewusstes aus der Vergangenheit tritt zu Tage. Die simpel wirkende Geschichte gewinnt an Komplexität. Thelma muss sich mit sich selbst, ihrer Familie, ihrer Vergangenheit und ihren Kräften auseinandersetzen. In ähnlichen Geschichten wie Carrie enden die übersinnlichen Kräfte oft rein destruktiv, aber Thelma ergibt sich nicht einfach dem Sog der Geschehnisse. Und Hauptdarstellerin Eili Harboe trägt dabei alle Emotion der ruhigen Thelma in voller Ausstrahlung auf ihrem Gesicht.

    Fazit
    Thelma ist nicht nur in wunderschönen kühlen Bilder gefilmt, sondern zieht einem auch mit seiner Geschichte und einer grandiose Eili Harboe als Thelma in einen hypnotischen Sog. Ein überaus faszinierender, zugleich ruhiger und kühl-beängstigender, übersinnlicher Coming-of-Age Film.

    4/5 Sterne

    Thelma läuft ab dem 22. März 2018 in den Schweizer Kinos.

    Thelma (2018), Regie: Joachim Trier, Norwegen/Frankreich/Dänemark/Schweden.

     

    (Titelbild: Outside the Box/Motlys AS)

  • Annihilation / Auslöschung – starker Film, mittelmässige Buchverfilmung

    Annihilation / Auslöschung – starker Film, mittelmässige Buchverfilmung

    Dass mir Annihilation als Film sehr gefällt habe ich schon geschrieben, trotzdem blieb ich nach der Sichtung enttäuscht zurück. Regisseur Alex Garlands Film ist eine harmlose, stark vereinfachte Version des Buches von Jeff VanderMeer. Es folgen LEICHTE BUCHSPOILER.

    «Film-Area X» ist ein Kinderspaziergang

    Gewisse Elemente können natürlich nicht auf die Leinwand übertragen werden, wie etwa VanderMeers Spiele mit der Sprache. Aber Garland beschränkt sich ganz auf den einfachsten Bio-Terror, streicht sowohl den wichtigen mysteriösen Turm, als auch den Hypnose-Subplot gänzlich.

    Was ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Buch und Film haben ein langsames Erzähltempo, aber die im Buch von Beginn weg vorhandene psychologisch-düstere Spannung fällt im Film dadurch weg. Stattdessen gibt es zwischen den wenigen grossen Ereignissen oft rein beobachtende Sequenzen.

    Garland kommt erst am Ende in etwa bei einem Wahnsinn an, den das Buch schon in den ersten Kapiteln im Dunkeln lauern lässt. Das Fehlen des Turms hinterlässt ein Loch, das in langwierigen Sequenzen spürbar ist. Zumal sie gleich zu Beginn darauf stossen und er anschliessend ein konstantes Mysterium im Hintergrund ist. Ein Mysterium, das das Geschehen im Film harmlos aussehen lässt.

    Das Streichen der Hypnose schwächt die Spannung innerhalb des Teams und raubt ein zusätzliches Element der Bedrohung. Im Buch setzt die Psychologin alle Teammitglieder unter Hypnose, damit sie die Grenze zur Area X unbeschadet überqueren können. Die Folgen davon sind weitreichend.

    Garland hat am Ende aber nur die „einfachsten“ Bedrohungen für seinen Film übernommen. Kein Wunder, wirkt Portmans Lena gegen Ende des Films noch putzmunter im Vergleich zu ihrem Zustand im Buch.

    Er spielt im Buch kaum eine Rolle.

     

    Komplexe Wissenschaftlerin «darf» sich ganz auf den Ehemann fokussieren

    Lenas Charakter im Allgemeinen hat seine Differenzen zum Buch. Garland lenkt ihre Motivation in konventionelle Bahnen. Neben Neugierde treiben sie vor allem Schuldgefühle gegenüber ihrem Mann in die Area X. Lena will ihn retten, ihre innere Motivation dreht sich um ihren kranken Ehemann. Im Buch stirbt er bereits kurz nach seiner Rückkehr, vor ihrer Expedition. Ihre Hauptmotivation ist wissenschaftliche Neugierde. Ihre Hintergrundgeschichte dreht sich nicht um ihren Ehemann, sondern um ihre wissenschaftliche Karriere, um ihre Wünsche, Bedürfnisse, Eigenschaften. Daneben will sie zwar schon wissen was mit ihm passiert ist, aber dies nimmt den zweiten Rang ein. Lenas komplexe Hintergrundstory wird aber im Film zu: «Sie hat Schuldgefühle, weil Eheprobleme.»

    Damit liess mich Annihilation am Ende mit gespaltenen Gefühlen zurück. Als Buchverfilmung mag mir der Film nicht so recht gefallen, als eigenständigen Film hingegen schon. Garlands Vision ist deutlich distanzierter, theoretischer, während VanderMeer noch tiefer gräbt.

    Am besten schaut man sich den Film als Buchkenner als alternative Version der Geschichte an und geniesst «Annihilation light» ohne an das Buch zu denken.

    Was halten andere Buch-LeserInnen vom Film?

     

    Annihilation ist ab dem 12. März 2018 auf Netflix streambar.

    Das Buch von Jeff VanderMeer ist überall im Handel erhältlich und der erste Teil der Southern Reach Trilogie.
    Zum Beispiel bei Amazon.de auf Deutsch oder in der englischen Originalsprache (Affiliate Links).

    (Bilder: Paramount Pictures / Photo Credit: Peter Mountain)

  • Annihilation / Auslöschung [Review] – philosophischer Sci-Fi Alptraum-Trip

    Annihilation / Auslöschung [Review] – philosophischer Sci-Fi Alptraum-Trip

    Annihilation (2019)

    «Nur auf Netflix, weil nicht massentauglich», die Verfilmung des Sci-Fi Buchs Annihilation von Vandermeer hat schon im Voraus Wellen geschlagen. Tatsächlich wird der Film nicht jedem gefallen, Liebhabern von nachdenklich machender Sci-Fi dafür umso mehr.

    Lena (Natalie Portman) ist Biologie-Professorin mit Militärvergangenheit, deren Mann spurlos auf einer geheimen Mission in der Area X verschwunden ist. Als er mit Gedächtnisschwund und schwerkrank plötzlich wieder in der Küche steht, beschliesst Lena sich der nächsten Expedition in die Area gleich selbst anzuschliessen.

    Sie wird Teil eines fünfköpfigen Teams, bestehend aus ihr (Biologin), einer Physikerin, einer Anthropologin, einer Sanitäterin und einer Psychologin. Durch eine schimmernden Mauer betreten sie die Area X, ein Gebiet komplett evakuiert und der Wildnis überlassen. Ein Gebiet, das aus bekannten Pflanzen und Materialen besteht, aber während der Expedition zunehmend Verdrehungen und Veränderungen des Gewöhnlichen preisgibt.

    Buchautor Vandermeer beschreibt Area X als zugleich absolut unheimlich und unglaublich wunderschön. Regisseur Alex Garland nimmt etwas Distanz vom Düstern, kreiert aber tatsächlich wunderschöne Bilder, die zugleich irritieren. Die deutlich machen, dass in der Area X nichts den altbekannten Regeln folgt. Ein vielfältiges Blumenmeer am Teich bezaubert, bis Lena erkennt, dass die Pflanzen so gar nicht wachsen dürften. Einzigartige Bilder, die sich lohnen auf einem möglichst grossen Bildschirm zu geniessen.

    Area X stellt das Sein selbst in Frage: Was ist Bewusstsein, wenn der Körper am Ende doch nur eine Sammlung veränderbarer Zellen besteht? Die Angst um das eigene Leben weicht bald Verwirrung, Panik, und Misstrauen.

    Annihilation ist weit weg von einem Action-Film, auch wenn der Trailer dies vorzugeben scheint. Gefahr dringt durch wenige gezielte Ereignisse ein. Was mit einer noch harmlosen Tierattacke beginnt, kombiniert die Angst um Leben bald mit dem Terror über die blosse Existenz von gewissen Dingen. Area X ist definitiv ein irrer Trip für sich. Ein Trip, der getragen wird von einer hervorragenden Schauspielcast. Natalie Portman füllt ihre Rolle bis in die letzte Sekunde und ihren Mitspielerinnen gelingt es den Nebenfiguren ebenfalls Charakter zu verleihen, obwohl sie wenig Raum dafür erhalten.

    Statt auf Interaktionen im Team setzt Garland nämlich häufig auf meditative Bilder und verpasst damit die Chance eine durchgehende Spannung zu erzeugen. Der Grundton ist damit häufiger eher zurückhaltend, aus Lenas Sicht beobachtend, bis wieder ein grosses Ereignis kommt. Dies führt zu einigen kleinen Längen im Film. Garland scheint eher interessiert am philosophischen Gedankgang an sich, als am inneren Terror, den dieser auslösen kann. Ganz im Gegensatz zum durchgehend düsteren Psychodrama im Buch. Dazu aber in einem weiteren Artikel mit Unterschieden zum Buch mehr.

    Fazit

    Garlands Annihilation ist ein starker, langsamer, philosophischer Sci-Fi Film mit bezaubernden Bildern in einer verstörenden, einzigartigen Welt.

    4/5 Sterne

    Annihilation/Auslöschung ist ab dem 12. März 2018 exklusiv auf Netflix streambar (überall ausserhalb der USA und Kanada).

     

     

    (Titelbild: Paramount Pictures / Photo Credit: Peter Mountain)

  • What Happend to Monday [Review] – siebenmal starke Noomi Rapace

    What Happend to Monday [Review] – siebenmal starke Noomi Rapace

    Im Jahr 2034 herrscht massive Überbevölkerung, die zu einer Ein-Kind-Politik geführt hat. Gebiert eine Frau mehrere Kinder werden die jüngeren in Tiefschlaf versetzt. Eine Gruppe von sieben Zwillingen umgeht das Gesetz, in dem sie alle in der Öffentlichkeit dieselbe Identität von Karen Settman verkörpern. Jeder der sieben Schwestern hat „ihren“ Wochentag. Monday verkörpert Karen am Montag, Tuesday am Dienstag und so weiter. Dies gut geht, bis Monday eines Abends nach der Arbeit nicht nach Hause kommt. Die sechs verbleibenden Schwestern müssen herausfinden was passiert ist, ohne dabei ihr Geheimnis preiszugeben.

    Regisseur Tommy Wirkol  hat zuletzt die Splatter-Action-Filme Hansel & Gretel und Dead Snow gedreht, What Happend to Monday hat aber mit beiden Filmen überhaupt nichts gemeinsam. Wirkols neustes Werk ist im Vergleich geradezu ruhig und deutlich mehr im Realismus verankert.

    Gespielt werden alle sieben Schwester von Noomi Rapace, die einen grossartigen Job macht. Dank ihr wirken die Schwestern tatsächlich wie verschiedene Personen. Und dies obwohl sie leider nicht gerade viel Unterstützung vom Drehbuch bekommt. Eine der grössten Schwächen des Filmes ist die fehlende Charakterisierung der Schwestern. Natürlich gibt es „Die Nerdige“, „Die Rebellische“, „Die Tussi“, etc., aber wirklich Tiefe bleibt für den grössten Teil des Filmes aus. Dies ist besonders schade, da die Geschichte unter Anderem auf den Zusammenhalt zwischen den Schwestern fokussiert und mit mehr Tiefe wäre hier noch wesentlich mehr drin gelegen. Aber auch so hebt dieser Aspekt den Film immerhin aus dem Standard des Sci-Fi-Actionbrei heraus. Überhaupt behält Regisseur Tommy Wirkola den Fokus strikt auf den Geschwistern, kein Held in strahlenden Rüstung schwingt vorbei um den Fokus an sich reissen. Die Sieben sind die deutlichen aktiven Treiber der Geschichte, selbst wenn sie Hilfe erhalten.

    Dabei kommen ihnen all ihre unterschiedlichen Talente zu Nutze, inklusive obligatorischer Verführungsszene. Wobei letztere allerdings plötzlich ganz andere Züge annimmt, als dies in der Regel der Fall ist. Auch die Actionszene funktionieren. Brilliant vor allem eine Szene im engen Haus der Schwestern, bei der sich alle Sieben mit unterschiedlichsten gegen eine Gruppe von Angreifer wehren, was in einer brillant geschnittenen und gar nicht zimperlichen Prügelei endet. Um Spannung zu erzeugen, nutzt Regisseur Wirkola dabei einen weiteren Vorteil von sieben Hauptfiguren: Es ist möglich nicht alle überleben zu lassen. Dementsprechend entsteht nie das Gefühl, dass eine gefährliche Situation sowieso irgendwie gut enden wird.

    What happend to Monday hat damit eine Menge Punkte, die ihn aus dem Sci-Fi-Actionbrei herausheben, leider aber auch eine weitere Schwäche: Wer auch nur ein bisschen mit Sci-Fi vertraut ist, wird zumindest Teil des finalen Twists schon in den ersten paar Minuten erahnen. Enttäuscht wird ausserdem wer sich eine tiefe moralische Auseinandersetzung mit der Ein-Kind-Thematik erhofft hat. Der Fokus legt deutlich stärker auf den Problemen der Schwestern.

    Aber als simpler Sci-Fi-Action-Film macht What Happend to Monday eine Menge Spass und bringt ein paar frische Aspekte auf den Tisch. Besonders in Bezug zu weiblichen Heldinnen in diesem Genre, die sonst oft nur sexy Sidekick oder Damsel in Distress sind.

    Und nicht zuletzt, umgeht Regisseur Tommy Wirkola seine Budget Restriktionen äusserst geschickt. Viele Szenen spielen an denselben Orten, aber innerhalb der Geschichte fällt dies nie negativ auf.

    Fazit

    What Happend to Monday hat einen vorhersehbaren Standard-Sci-Fi Plot, trotzdem bietet er gute Unterhaltung, dank Noomi Rapace, einer guten Thriller/Action-Mischung und einer Erzählweise, die erfrischend neue Aspekte im Genre auf den Tisch bringt.

    3.5/5 Sterne

    What Happend to Monday ist auf Blu-Ray/DVD/digital erhältlich.

    What Happend to Monday (2017), Regie: Tommy Wirkola, UK/Frankreich/Belgien/USA.

     

    (Titelbild: Impuls Pictures AG)

  • Cloverfield Paradox [Review] – viel Lärm um Mittelmass

    Cloverfield Paradox [Review] – viel Lärm um Mittelmass

    Cloverfield Paradox

    Netflix ist mit Cloverfield Paradox ein grossartiger PR Stunt gelungen. Noch nie lief ein Filmtrailer während dem Superbowl mit der Ankündigung, dass der Film zwei Stunden später bereits streambar ist. Erst recht nicht einer, der in eine bekannte Franchise eingebettet ist. Leider sagt dies noch nichts über die Qualität des Filmes aus und die war enttäuschend. 

    Cloverfield Paradox kann sich nicht entscheiden, was er eigentlich sein will. Das Ganze startet als durchaus soliden Mystery-Thriller: Crew geht ins Weltall um ein Experiment durchzuführen, das die Energieprobleme auf der Erde lösen soll. Dabei geht etwas schief und plötzlich häufen sich seltsame Vorkommnisse an Bord des Raumschiffes. Das Mysterium verspricht weckt Interesse, auch wenn die Charaktere bereits von Beginn weg ziemlich flach sind.

    Das erste grosse Ereignis nach dem Experiment sorgt dann auch für ordentlichen Grusel-Faktor, es wird bedrückend im All. Und dann… Dann macht der Film plötzlich eine 18o Grad Wende und stürzt mit mehr oder weniger freiwilliger Komik volle Wucht ins B-Movie Territorium.

    Okay, etwas Humor schadet ja nicht, also wird alles halt etwas cheesy. Die nächste Szene will aber plötzlich wieder hochdramatisch sein? Und oh, jetzt passiert hier noch etwas völlig Zufälliges, das noch jemanden umlegt? Hä? Was? Warum? Woher kommt? Ach, ich gebs auf. Scheint als hier jemand einfach zufällige Szenen aneinandergereiht, in denen jeweils wieder jemand sterben darf.

    So zumindest wirkt der Film, man endlich irritiert am Ende ankommt, wo dann noch die obligatorisch Cloverfield-Verbindung angetackert wird. Da verwundert es auch nicht mehr sonderlich, dass der ansonsten grandiose Darsteller Daniel Brühl während dem ganzen Film so wirkt, als wolle er die Sache so rasch als möglich hinter sich bringen. Hauptdarstellerin Gugu Mbatha-Raw kommt dafür umso besser weg, weil sie innerhalb des ganzen Chaos tatsächlich ihren Charakter irgendwie trägt.

    Auch der Bezug zum Cloververse enttäuscht. Es wird zwar im Film erklärt, woher die Monster kommen, aber dies geschieht auf eine total unverbindliche schwammige Weise. Intelligenter Entscheid um sich für zukünftige Filme alle Möglichkeiten offen zu behalten, allerdings nicht sonderlich befriedigend, wenn man eine raffinierte Erklärung erwartet.

    Fazit

    Cloverfield Paradox ist ein chaotischer Mix an zufälligen Szenen mit flachen Charaktere, dessen einzigen interessanter Punkt in der sehr losen Erläuterung zum Clevereres liegt.

    2.5/5 Sterne

    Cloverfield Paradox (2017), Regie: Julius Onah, USA.

    (Quelle Titelbild: Scott Garfield / Netflix)